Montag, 23. November 2015

Sackgasse am Rio Grande

 
„Ja, mit einem Allradfahrzeug kommt ihr durch“! sagt der Dorflehrer des Weilers Rio Grande. Unsere Landkarten widersprechen sich, ob es eine fahrbaren Weg durch das Tal des Rio Grande bis zum Geysirfeld von El Tatio gibt. 

Wir probieren´s!

Der Rio Grande ist eher ein Bach, das Hochtal aber ein tief eingeschnittenes grünes Band mit hohen, kahlen Felswänden, die willkürlich gefaltet erscheinen. Der Weg ist also leicht zu finden. Abzweigung gibt es nicht. Mehrmals fahren wir durch den Fluss, die Piste ist mal steinig, mal gut, mal sandig. Und wir kommen langsam, aber gut voran. Gerade als wir einen Pass überwunden haben und dem Rio Grande wieder näher kommen, wird eine große Schafherde heraufgetrieben. Hier wird auf´s Fotografieren eher kritisch reagiert, die Schäfer hätten gerne Geld für das Ablichten der Tiere. - ???




Weiter geht’s, die Piste ist so gut, dass wir nach rund 30km schon annehmen, demnächst auf die Hauptstraße zu den Geysiren zu treffen. Eine etwas tiefere, felsige Furt, dann eine betonierte Brücke, wir sind in einem kleinen, landwirtschaftlich genutzten Talkessel angelangt. Und hier gibt es genau eine Ausfahrt. Nämlich die Einfahrt. Sackgasse am Oberlauf des Rio Grande...
Schade, zu den Dampf- und Schlammlöcher kann es nicht mehr weit sein.

So drehen wir um, genießen eine nette Offroad-Strecke talwärts und kommen im besten Nachmittagslicht wieder im Regenbogental an...

PS: Später erklären uns ortskundige Einheimische, dass ein Fußweg durch das Tal existiert und El Tatio vom Ende der Piste noch neun Stunden Marschzeit entfernt sei. (Und wiederum war die „Reise Know How“-Karte die unrichtige!)

vom Mondtal ins Regenbogental

Eigentlich ist Anfang November ja „tote Saison“, was den Tourismus betrifft. Aber was machen dann die vielen Busse, Minibusse, Mietwagen, Pickups und Fahrräder hier? Wie sieht es dann bei der Felsformation „Tres Marias“ in der Hochsaison aus.

Diesen Gedanken verdrängen wir ebenso wie die bunte Masse der „ich fotografier mich mit dem Handystick“ - Generation (in Südamerika alle vom Schulkind bis zum Pensionär), setzten uns ins Auto und biegen auf eine irreale weiß-schwarz gemusterte Fläche ab, die sich als Vulkanboden mit Sazbeschichtung herausstellt. 

Gerade mal zwei Fahrradler und ein anderes Auto verirren sich hierher. Wir sind wirklich in einer anderen Welt. Fehlt nur noch, dass über uns der „Blaue Planet“ hinwegschwebt...
An einer alten Salzmine angelangt, getraue ich mich nicht wirklich in die Tiefe – es kommen von einer Seitenwand eigenartige Geräusche … Nachdem wir gestern hier ein Erdbeben der Stärke 6,3 live miterlebt haben (da wackelt der Boden wirklich! Und die Lehmziegelhäuser wirft es richtig hin und her...), könnte da eine unbedachte Belastung einen kleinen Erdrutsch verursachen. Und da möchte ich nicht drinnen sein.


Mit wild schaukelnden „Mondmobil-Bewegungen“ kriechen wir zurück auf die Wellblechpiste des Valle de la Luna. Entlang jener Strecke sind Park-Ranger postiert, die jeden touristischen Versuch, einen Schritt neben die Straße zu setzen mittels Trillerpfeife unterbinden. Was ja in Ordnung ist, schließlich ist Chile die südamerikanische Schweiz – und das Land soll schön bleiben.

Wir wagen trotz Sturms den ganz legalen Aufstieg auf einen etwa 100m hohen, bizarren Felsen und lassen die Touristenmeute hinter uns. Belohnt werden wir mit Einsamkeit und einem wirklich tollen Sonnenuntergang mit orange leuchtenden Felswänden auf salzweißem Grund mit dem perfekten Vulkankegel Lacancabur mit tiefrotem Abendkleid im Hintergrund. Trotz des vielen aufgewirbelten Staubs erleben wir einen dramatisch eindrücklichen Sonnenuntergang.

Weil wir nicht ins Disneyland zurück möchten, legen wir eine Nachtfahrt nordwärts ein. Dies ist in Chile dank der guten (nicht nur) Asphaltstraßen recht problemlos. Und verkehr ist auch nicht viel.

Nach 60km sind wir im „Regenbogental“ angelangt und finden hinter ein paar Felsen ein relativ windgeschütztes (aber trotzdem saukaltes) Stellplätzchen.

Weil hier Felsen in den verschiedensten Farben und Formen aus dem Wüstenboden wachsen, hat das Tal diesen Namen erhalten. Zurecht, wie wir beim morgendlichen Rundgang feststellen. Noch wissen wir nicht, dass wir noch eine zweite Nacht hier verbringen werden – die Pläne sind jedenfalls andere...








Im Lehmziegel-Disneyland

Nach den Wochen in Bolivien erleben wir einen Kulturschock: Massentourismus!
Aus glaubhafter Quelle wissen wir, dass San Pedro de Atacama (im Süden von Nordchile) noch vor ein paar Jahren ein verschlafenes Dorf mit schöner Adobe-Architektur gewesen ist.

Besonders die Lehmziegel-Kirche am verschlafenen, staubigen Hauptplatz war (und ist) von
lieblicher Proportion.Aus dem Dornröschenschlaf ist San Pedro definitiv erwacht. Eine Ausflugsagentur neben der anderen, Mietwagen, Mountainbikes, Sandboards und mehr oder weniger chice Bars und Lokale, Fast Food von Pizza bis Döner und dazwischen die bunt karierte Flagge der indigen Kultur. Eine Vergangenheit hat man ja auch noch, wenngleich offenbar alle hier auf die finanziell rosige Zukunft hoffen. Den Touristen sei Dank!
Von Badehosen-Hippies bis zu Adrenalin-Rentnern versammeln sich hier alle Typen von Reisenden, um die Höhepunkte der Gegend abzuklappern. Und derer gibt es viele hier!
Am Hauptplatz gibt es eine Runde Yoga und nächtens ist die Zeit der Sternderlgucker (Rechnung: 20 Personen, 2 Teleskope, 30 Dollar - guter Deal?).
Ausblick erleichtert Arbeit
Nach dem ersten Reisekulturschock ziehen wir uns auf den Stellplatz im Innenhof eines netten Lehmziegel-Hotels zurück und wollen einen Ruhetag einlegen. Gaby vertreibt sich die Zeit mit Wäsche waschen, ich betrachte unseren Schlafwagen intensiv von unten – und bin so zufrieden, dass ich gleich das Innenleben ausräume und das Auto komplett innen putze. Was auf einem windigen, staubigen Platz eine ebenso sinnvolle wie intensive Beschäftigung ist!

automatische Bildbearbeitung :-)
Abends landen wir eher zufällig in einem Selbstbedienungs-Fastfood. Essen nicht gut. Die Rechnung bringt mich auf die Palme: frech wird dem Preis einfach 10% Trinkgeld aufgeschlagen. Ganz klein steht daneben „freiwillig“. Solche Neppstationen meiden wir lieber. Dies ist in der gesamten Ortschaft aber üblich, wie wir herausfinden und erfahren.
Die Naturwunder der Umgebung wollen wir uns aber nicht vermiesen lassen.

Also rauschen wir nachmittags ab ins viel gelobte Mondtal. Nicht ohne ein Zivilisationssouvenir mitzunehmen: wir haben den ersten Dünnpfiff unserer gesamten Reise eingefangen.








PS: In einer Autovermietung - hier werden rustikal umgebaute Minibusse als Campervans teuer verborgt - finden wir einen netten Spruch:

Samstag, 21. November 2015

DANKE!

... nachdem wir es jetzt auf 130 Postings gebracht haben und uns auf unterschiedlichem Wege viele nette Rückmeldungen, Reisetipps, Grüße und "Hallos!" erreicht haben, möchten wir dafür einfach gesammelt mal "Danke!" sagen.

...und wir freuen uns auf weiterhin zahlreichen Besuch beim Blog und natürlich auf Reaktionen und Lebenszeichen aus der Heimat auf jedem erdenklichen Weg!

Wir haben schon über 10.000km hinter uns, sind seit rund  2 Monaten in Südamerika (Stand 1. November)und sehr neugierig, was uns noch so alles erwartet (wie etwa gerade jetzt eine Nachricht von einem Freund: er arbeitet ab Februar in Ecuador - da werden wir uns ja wohl treffen...).

Aber zunächst heißt es: Auf geht´s nach Chile.

auf der Lagunenroute

Das Ufer des Salzsees ist gefroren. Die ersten Sonnenstrahlen blinzeln über die Vulkanreihe. Die Maschine schnurrt. Kaum Wind, wunderbar! Dick vermummt in Daunenjacken (ja, ja, Gaby denkt an alles beim Einpacken!) frühstücken wir, dann ist der Motor warm, es kann losgehen.

 
Eigentlich kann man sich nicht verfahren, es gibt zwar unzählige Spuren und Varianten, aber sie führen alle dem gleichen Ziel entgegen. Zunächst ist dies für uns der markante Steinbaum, ein skurril geformter, erodierter Fels in einem Stück Sandwüste.



Unterwegs treffen wir auf entgegenkommende Landcruiser voller Touristen, wir sind offenbar auf der „Hauptstraße“ zurück. Das Wellblech ist bei einigen Anstiegen grauenhaft. Unregelmäßig, tief und voll mit Felsbrocken – ich kann nicht die Geschwindigkeit fahren, mit der man über die Schotterrippen“fliegt“ . Wir sind uns einig: unangenehmere Pistenverhältnisse haben wir weder in Afrika noch in Australien erlebt. Unser Schlafwagen wird richtig gefordert, malträtiert, immer wieder hört man das Ächzen des Chassis...

Wir sind nicht die einzigen beim „Arbol de Piedra“, aber um diese Tageszeit sind wir offenbar die einzigen, die südwärts - Richtung Chile - unterwegs sind. Immerhin können wir uns von den einheimischen Fahrern Tipps holen, welche Streckenvariante landschaftlich schöner ist oder weniger schlecht zu befahren.


In einer beeindruckenden, spannend zu fahrenden Quebrada (Canyon), gerade mal breit genug für ein Fahrzeug, springt ein Tier über die Felsen. Wenig schüchtern, nähert sich die rund 40cm große Hasenmaus unserem Auto bis auf wenige Meter und sieht uns interessiert an. Sehr neugierig, dieser Verwandte des Chinchilla...

 

Mittags ist die Laguna Colorada erreicht. Der Wind hat zugelegt, es ist ungemütlich im Freien. Das rostige Rot des Wassers, verstärkt durch die weiße Salzkruste rundherum, ist von Flamingos gesprenkelt. Deren Rosa korreliert gar nicht gut mit der Wasserfarbe, hier haben die Designer versagt.

Schranke. Zahlen. 150 Bolivianos pro Person. Wir erreichen das Naturschutzgebiet, das sich nun bis zur chilenischen Grenze erstreckt. Gleichzeitig markiert die Lagune die Hälfte der Strecke. Es geht voran. Der Park Ranger erklärt uns die ungefähren Zeitaufwand für einzelne Streckenabschnitte und macht uns Hoffnung, dass die Piste irgendwann besser wird...

Der Wind ist inzwischen so heftig, dass man draußen fast nicht mehr aufrecht stehen kann. Richtiger Sturm, gewürzt mit Staub, Steinchen und Salzkristallen. Das stichelt auf der Haut... Fotografieren ist schwierig.

Trotzdem erklimme ich (im relativen Windschatten) einen kleinen Gipfel für den Überblick über die beeindruckende Lagunenlandschaft. Gaby bleibt im Auto, sie klagt über Kreuzschmerzen und außerdem hat sie (trotz unserer guten Anpassungszeit) Schwierigkeiten mit der Höhe weit jenseits der 4000m.
Trotzdem muss sie weiter in die Höhe: Der Paso Sol de Manana liegt auf rund 5000m. Gleich hinter der Passhöhe finden wir das höchstgelegene Thermalfeld der Erde. Der Geysir macht sich schlank, angesichts des Sturms bleibt die Wasserdampfsäule in Bodennähe. Aber blubbernde Schlammpfützen, dampfende Wasserlöcher und gelbgraue, nach Schwefel riechende Morastfelder vermitteln ausreichend, dass hier enger Kontakt zum heißen Erdinneren besteht...

 
 
Angesichts des Sturms lassen wir den Plan, hier in knapp 5000m zu nächtigen, fallen und fahren noch rund 25km zu heißen Thermalquellen – wo es eine Unterkunft gibt. Oder gäbe, denn leider waren andere schneller. Nach einigem Plaudern wird uns schließlich ein Quartier im Neubau angeboten: blanke Ziegel rundherum und ein Blechdach drüber – was soll´s, das paßt schon, es stehen ja sogar zwei Betten im Raum. Wir holen unsere Schlafsäcke und freuen uns auf windgeschützen Schlaf.

Ich steh bei Sonnenaufgang auf, verzichte auf ein heißes Thermalbad (bei minus 5 Grad rauszukommen, das ist die Überwindung!)´und fahre zum Geysir zurück. Da die Piste seit der Passhöhe präpariert ist, sind die 25km fast ein Kinderspiel. Angesichts der Höhe qualmt der Motor in schwarz-weiß und hat nicht mehr die volle Leistung, aber alles funktioniert problemlos.


 Überraschung: Ich bin nicht der Erste dort oben, da sind schon ein paar Landcruiser mit Touristen zwischen den dampfenden Säulen unterwegs. Kaum Wind, sehr kalt und Morgensonne ergeben eine gute Basis für den optimalen Genuss diese phantastischen Naturschauspiels. Das wissen die einheimischen Guides natürlich nur zu gut...

Trotzdem: Wow! Ich spüre die Erde arbeiten – während Gaby noch im Bett Kopf- und Kreuzweh bekämpft.
Nach einer intensiven Stunde am „Sol de Manana“ frühstücken wir und nehemn den letzten Teil der Strecke in Angriff. Diese hat aber ihren Schrecken verloren, denn die Piste ist in guten Zustand, dafür donnern LKW an uns vorüber: offenbar wurde da eine Mine eröffnet oder – wie ich vermute – versucht man, die Energie des Erdinneren im Thermalfeld anzuzapfen...

Abschließender Höhepunkt der bolivianischen Lagunenroute ist die Laguna Verde, die mit ihrem sanften Türkis heute eher zurückhaltend ist. Dies liegt wohl auch am Wind, der das Wasser aufwühlt und auch verhindert, dass sich der imposante Vulkan im Wasser spiegelt. 


Ein paar Kilometer noch, einen Kanister Diesel habe ich vorsorglich in den Tank geleert, dann sind wir am Grenzposten. Freundlicher Abschied aus Bolivien, wir kommen sicher wieder!

Chile. Asphalt. Geschafft. War viel weniger abenteurlich oder gefährlich als wir geglaubt haben. Und landschaftlich durften wir wirklich wunderbare Eindrücke sammeln.


Aber jetzt haben wir uns ein wenig Erholung in der Tiefe und Wärme verdient. San Pedro de Atacama wartet!

zur Abwechslung ein Guten-Morgen-Selfie. bei Minusgraden am morgendlichen Sol de Manana