Donnerstag, 11. August 2016

Pantanal – die letzte Chance des Jaguars

  
Einen Tag bleiben wir noch hier. Der Himmel zieht etwas herum, ein warmes Lüftchen kommt auf, eine Wetterumstellung bahnt sich an. Während wir die vielen, vielen Vögel hier im Areal des Pantanal Norte Hotels beobachten, beschließen nun die Insekten, langsam hinter dem Ofen hervorzukommen. Besonders die Moskitos, Sandfliegen und Bremsen geben uns ungefragt die Ehre...
All das ist das zwar juckend, aber harmlos: aufgrund des alkalischen Wassers gibt es hier weder Malaria, noch Denguefieber noch den (derzeit offenbar heillos übertrieben verteufelten) Zika-Virus.
Wir beschließen, am nächsten Tag abzufahren, nicht weit, nur etwa 20km zu einer kleinen Insel im Überschwemmungsgebiet – mit unzähligen Vögeln, Kaimanen und Wasserschweinen rundherum. 
  Wir kommen erst am Nachmittag los, weil es am großen Fluss einfach so schön ist – und sind dann vom angepeilten Stellplatz enttäuscht: zu viel Müll, offenbar auch als Toilette missbraucht und die Menge der Stechtiere im nunmehr feuchtheißen Klima machen wenig Spaß.
Und als wir gerade ein Wildbienennest, höchst eindrücklich in einem Baum angelegt, bewundern, passieren zwei Dinge:
Ich komme drauf, dass ich ein Akkuladegerät beim Hotel vergessen habe. 
und ein deutscher Overland-Truck der Kategorie „Übergewicht“ bleibt neben uns und vor einer windschiefen Brücke stehen. Wieder einmal haben Leute mit großen Autos große Probleme: komm ich da unbeschadet drüber...?
Sie kommen drüber und weil wir sowieso nochmals zurück müssen, überzeugen wir die beiden, am nächsten Morgen mit uns ein Boot zu teilen – wir wollen den Jaguaren noch eine letzte Chance geben, sich so richtig zu zeigen...
Es liegt eine heiße Nacht hinter uns (natürlich temperaturmäßig!), als wir diesmal nur mit dem Sweatshirt bekleidet, der Morgendämmerung entgegen preschen. Kein Morgennebel am Fluss, zu gering der Unterschied zwischen Wasser und Luft...
 
Wird sich ein Jaguar zeigen, wird er die Chance nutzen und uns eine anständige Einlage bieten? Es sieht nicht so aus. Ein Reiher mit einem großen Fisch, mit dem spitzen Schnabel frisch harpuniert ist lange Zeit die spektakulärste Ausbeute... Dann wieder Riesenottern, zunächst am Fisch schlemmend, dann wie immer quirlig an der Böschung agierend. 
  
  
Die Sonne steht schon sehr hoch, sind die Jaguare schon auf Mittagspause? Ein Funkspruch signalisiert die Sichtung einer Raubkatze – wenig später sind wir dort, aber der Jaguar weg. Wasserschweine stehen heute nur als Zuseher herum und die vielen faulen Kaimane im Halbschatten können uns auch kaum trösten... 
 
Ja, nette Landschaft, ein paar interessante Tierbeobachtungen, aber ohne Jaguar, na ja...
Als wir um die Flussbiegung stromabwärts, heimwärts kommen stehen ein paar Boote da. Dort, im Gebüsch, dort ist er. Nein, sind sie. Wir erfahren, da befindet sich eine Jaguarmutter mit zwei Jungen im Uferdickicht.. Sicher ist, sie werden rauskommen. Unsicher ist, wann...
Warten. 
   
Kurzer Motorschub stromaufwärts, wieder runtertreiben lassen, wie eine Tanzschule bewegt sich die ganze Flotille voller neugieriger Menschen im Takt. Hinter uns hätten Tiger und Löwen vorbeilaufen können – alle, alle starren auf das eine Gebüsch!
Bewegung in den Ästen! Ein Windstoß.
Geh, bitte, manövrier doch das Boot etwas näher. Ach so, du meinst die Raubkatze kommt weiter unten ans Ufer heran ...
Hoffentlich kommt sie überhaupt.
Die Uhr tickt gegen uns, wir haben einen Halbtagesausflug gebucht...
Der Busch bewegt sich wieder. Ein Jaguarkopf schaut hervor. Langsam kommt die Katze ganz zum Vorschein. Und verschwindet gleich wieder hinter dem nächsten Grünzeug. Schade. Kätzchen, du hast deine Chance nicht genutzt! Kein brauchbares Foto gelungen. Dafür zwei Hinterköpfe abgelichtet, menschliche.
Warten.
Da kommt sie wieder. Unser Bootsfahrer hat gut geraten, wir stehen in Poleposition – Frau Jaguar kommt auf uns zu, bleibt stehen, blickt langsam um sich. „Ich bin hier der Boss!“ scheint der Blick zu sagen. Eine geschmeidige Wendung – und schon wieder ist so ein blödes Gestrüpp vor dem eleganten Fell.
Roden sollte man den Pantanal!
Warten. Motorschub, etwas stromaufwärts, die großen Boote mit dem Menschen mit den ganz teuren Kameras in der Hand sind ganz vorne. Sie sehen aber auch nicht mehr. Und ein Tele hilft gar nichts, wenn man die Katze, die gerade wieder zwischen hohem Gras auftaucht, einfach nicht sieht... (was so manchem Touristen trotz geduldiger Guide-Hilfe passiert)
Langsam trabt sie flussabwärts. Unseren Adrenalinspiegel hält Frau Jaguar nun schon gut 15 Minuten in Alarmzustand. 
 
Ducken. Vorwärts. Platsch! Nein, das ist es kein Rekrut bei der Übung, sondern eine Raubkatze auf der Jagd. Ui, das war schnell und unerwartet. Mehr als spritzendes Wasser ist am Foto nicht zu finden. Aber sie war nicht schnell genug, nass und ohne Beute kommt sie hinter dem Gras hervor.
  
Warten. Kätzchen wartet enttäuscht, wir warten hoffnungsvoll. Wann kommt die nächste Chance?
Überhängende, abgestorbene Äste im Bild sind nicht optimal zum fotografieren. Leider wissen das Jaguare nicht. Die nächste Jagdszene wird genau dorthin verlegt. Anschleichen, Körperspannung, Satz vorwärts, Gischt. Leider nein. Es ist fast ein verlegener Blick zu den Booten. „Sorry, wieder nichts erwischt...“ Kaimane sind offenbar wachsamer als Jaguaren lieb ist.
Jetzt steht sie mit ihrem wunderschönen Fell und dem eleganten Körper wieder da und hat nichts für ihren Nachwuchs zwischen den Reisszähnen.
Unser Bootsführer zeigt auf die Uhr - bald müssen wir am Hotelpier zurück sein. Hallo, Frau Jaguar, du hast noch eine letzte Chance bevor wir fahren! Es sind bereits einige Boote abgefahren, nur mehr drei warten ab, was jetzt passiert.
Warten. Wir am Wasser, Katze am Ufer. Ein paar geduckte Schritte und schon wieder ist das schwarz getupfte Fell außer Sichtweite!
Unser Schiffsbug dreht bedrohlich gegen flußabwärts. Mit meinem allercharmantesten Augenaufschlag bitte ich den Chauffeur um fünf Minuten Frist. Das Boot bewegt sich wieder etwas stromaufwärts – und in diesem Moment kommt die Jaguarmutter schwerbepackt aus dem Gebüsch – ein Kaiman, beinahe so lange wie sie selbst will nun bis zu den hungrigen Kleinen geschleppt werden.
Dank des sehr kräftigen Gebisses ist der Transport selbst kein Problem. Durch die Gewichtsverdoppelung bricht aber das Sandufer unter den Pfoten ein und ein-, zweimal tritt sie dem toten Kaiman auf den Schwanz und kommt ins stolpern... So bewegt sich das ungleiche Paar flußaufwärts, bis die Jaguarin mit ihrer Beute am Kinderbusch ankommt. Hier verschwindet sie, das nun beginnende Festmahl bleibt unseren Augen verborgen.
Wieder dreht sich der Bootsbug flussabwärts.
Danke, Jaguar, du hast deine letzte Chance bestens genutzt!



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