Freitag, 27. Mai 2016

Chachapoyas – die Wunderwelt der Wolkenmenschen

Dieses weiß getünchte, wunderbar kolonial anmutende Städtchen liegt auf rund 2300m Seehöhe – und ist die Hauptstadt der Provinz Amazonas. Von wegen „Amazonas-Tiefland“! 
 
In der näheren und weiteren Umgebung liegen zahlreiche archäologische Stätten, die der „Chachapoyas-Kultur“ zugeordnet werden. Übersetzt heißt dieser Quechua-Ausdruck eben „Wolkenmenschen“ oder „Nebelkrieger“. Das Wetter beweist, dass die Bezeichnung treffend ist und wir sind gespannt, was uns erwarten wird.
Die blauen Himmelsflecken mit warmer Sonne werden immer wieder von dunklen Wolken gefressen und mit einem kurzen Guss quittiert.
   
Immerhin gibt es im Ort genau zwei für unseren Wagen passende Batterien (der Landcruiser-Diesel hat nämlich zwei Starterbatterien). Ein Erfolg ist verbucht, wir können uns ohne Herzklopfen wieder auf einsame Pisten wagen!
Wir nisten uns in der Herberge „Amazonas-Hostal seit 1936“ direkt am Plaza de Armas ein, der nette Besitzer ist wohl noch ein wenig älter. Die knarrenden Holzböden intensivieren den Charme der einfachen Unterkunft mit dem hübschen Arkaden-Innenhof. Das bleibt für ein paar Tage unser Hauptquartier, der Zimmerpreis von 17 Euro (mit windschiefem eigenem Badezimmer) lässt den Campinggedanken verblassen.
Wir wandern über uralte gepflasterte Pfade, die lange vor der Inkazeit angelegt worden sind (nur der Plastik- und Alumüll dürfte etwas jünger sein...) durch die üppige Landschaft und stöbern in überwachsenen Ruinen, die noch auf die archäologische Aufarbeitung warten. Da die Steinwände und Rundbauten eh schon über tausend Jahre alt sind, wird noch ein wenig warten auch nicht stören... 
   
Ganz typisch für den Nebelwald sind die Bromelien, die als wunderschöne Mitbewohner an den Bäumen kleben.
   
Allerdings, so erfahren wir, die Idylle täuscht. Es gibt einen Wettlauf zwischen Grabräubern und Forschern, denn es gibt noch immer viel zu entdecken in der ziemlich unwegsamen, zerklüfteten Gebirgslandschaft. Besonders eben Gräber, Sarkophage und Mumien mit wertvollen Beigaben sind in jüngerer Vergangenheit gefunden worden. 
Wir beteiligen uns nicht an der Suche, wir wollen einfach das Bekannte für uns entdecken. Blöd nur, dass die Sehenswürdigkeiten nicht an der Hauptstraße liegen. Nach holpriger und kurvenreicher Anfahrt steht jeweils ein längerer „Spaziergang“ vor dem kulturellen Highlight.
Wir besuchen den Ort der Toten („Pueblo de los Muertos“), wobei das nicht ohne recht waghalsige Kletterei in der Steilwand abgeht. Gaby reicht der Blick vom Eingangstor, ich wage mich ein paar Nischen weiter, balanciere am Abgrund entlang und befinde mich zwischen jahrhundertealten Knochen – und in der Gesellschaft vieler Moskitos.
Ein wenig unterhalb „entdeckt“ Gabys Adlerauge einige Sarkophage in einer Felsnische, die sind aber wirklich unerreichbar. 
   
Gut erhaltene Gräber in Statuenform finden wir in Karajia vor, wieder müssen wir einen Steilhang hinunterwandern, bis wir die in Felsnischen gearbeiteten Grabmäler sehen. Wer wurde hier bestattet, warum gerade in diesen Nischen (abgesehen vom Schutz vor der Witterung in den Überhängen...), welche Zeremonien wurden hier veranstaltet? Viele Fragen zu dieser Kultur sind unbeantwortet. 
  
Sicher ist, dass die Inka im 15. Jh. dieses Gebiet erobert haben, die Chachapoyas aber nie ganz unterwerfen konnten – deshalb spricht man in dieser Gegend auch kaum Quechua. Die Führer dieser Zivilisation unterstützten dann die Spanier im Kampf gegen die Inkas – wobei fraglich ist, ob sie mit dem Endergebnis der spanischen Kolonisation besser gefahren sind. Immerhin können wir deshalb im 1538 gegründeten Levanto die zweitälteste christliche Kirche östlich des Andenhauptkamms bewundern...
   
Aber vielleicht waren  Europäer schon viel früher hier? In einem anderen nahegelegenen Ort gibt es ziemlich viele blonde Menschen. Manche Wissenschafter behaupten, sie seien Nachfahren der Wikinger, die angeblich schon Jahrhunderte vor den Konquistadoren in Südamerika waren. Funde von Runentafeln in Brasilien sollen diese Theorie untermauern. Immerhin ist dieser Forschungsfrage auch schon ein altgedientes Mitglied des TCA (Traveller Club Austria) nachgegangen.

Wer mehr wissen möchte, kann hier einhaken: http://www.suedwind-magazin.at/klarstellung-232966
Es ist eben eine Wunderwelt rund um Chachapoyas - und da darf man auch historisch interessante Fragen stellen...

Mittwoch, 25. Mai 2016

Gocta - Der Fall vom Wasserfall

Ja, wie hoch ist er denn wirklich? Und welche Position nimmt er im weltweiten Wasserfallranking ein?
Das hat bis vor ein paar Jahren keinen Menschen interessiert – erst 2006 wurde hier vermessen. Und man kam auf die Fallhöhe von 771 Metern. Das aber nur, wenn man die beiden Wasserfallteilstrecken addiert. Aber darf man das? Und wenn ja, ist es dann wirklich der dritthöchste der Welt?
Man weiß, ein Stockerlplatz ist im Ranking immer wichtig...
Na ja, nicht weit von den „Cataratas Gocta“ liegt ein um ein paar Meter höherer Wasserfall. Dieser funktioniert aber nur in der Regenzeit – gelten die dann nicht? Sonst wäre nämlich der „Yumbilla-Fall“ an dritter Stelle.


   
Unbestrittener Fallhöhengoldmedaillengewinner ist der Salto Angel in Venezuela. Seine knapp tausend Meter sind Weltrekord – und der scheint bis auf weiteres sicher. Beim zweitplatzierten Tugela Fall in Südafrikas Drakensbergen darf man schon vorsichtig sein: ist das unerlaubtes Doping (oder hopping?), wenn er über fünf Stufen fällt?
Wir haben ausreichend Zeit, über die korrekte Wasserfallhöheneinstufung zu philosophieren, schließlich sind wir beinahe drei Stunden im feuchtkühlen Nebelwald unterwegs, um zu diesem Naturschauspiel zu gelangen. Keine Gefahr von Langeweile. Ein paar Kolibris lenken vom Gatsch ab, malerische Farne laden zum Fotospiel ein, die umliegenden Berge zeigen auch ganz schön Profil.

Und als wir dann an der Wasserfallmittelstation stehen, schauen wir uns an – und sagen: na, sehr viel Wasser kommt da  nicht runter - aber hoch ist er schon, das Wasser donnert kräftig.
Außerdem ist das Setting beeindruckend und kurz grüßt uns sogar die Sonne!
Wir beschließen, den benachbarten Teilzeitwasserfall auszuklammern und vergeben die Bronzemedaille an den Gocta!
Einige Fragen bleibt noch offen für den anstrengenden Rückweg: Wächst der Wasserfall? Kann er unten das Gestein schneller auswaschen als er sich oben eingräbt...? Gibt es daher auch bei Wasserfällen Überholmanöver? Und wenn ja, kann man es schon nächstes Jahr messen?

Chachapoyas – Anreise mit Hindernissen

Frühmorgens erhalte ich in San Ignacio einen Wink von einem freundlichen, gut gekleideten Herrn und schon bin ich in seinem Kaffeekontor. Er exportiert die Bohnen, die hier überall am Straßenrand getrocknet werden. Auch nach Österreich! Er erzählt von Preisen und Logistikproblemen und ist sichtlich stolz auf seinen vierjährigen Sohn, der von Kaffeebohnen andere Vorstellungen hat: ein super Spielzeug, herrlich, in den großen Säcken zu wühlen! 

 Dann geht’s los, südwärts. Na ja, noch ein kurzer Halt. Wegen einer Zeremonie am Hauptplatz ist kurzerhand die Ortsdurchfahrt nicht möglich. Warten, zuschauen, in einer halben Stunde geht’s dann doch. Zeit ist kein Thema hier. (Dafür haben die meisten Geschäfte auch am Sonntag offen...)
   
Das hätten wir nicht gedacht! Wir wähnen uns mitten in den Anden – und sind plötzlich an einem Fluss mit lauter Reisfeldern an den Ufern und es ist anständig schwül. 
Aha, Bague Grande gilt als heißester Ort Perus! Aha, wir sind in der Provinz Amazonas. Es ist nur ein Tieflandzwischenspiel. Wir gewinnen rasch an Höhe, werden aber abrupt gestoppt. Zunächst zweimal von schwerbewaffneten Männern, die hinter Sandsäcken postiert sind und Jacken mit der Aufschrift „Securidad“ tragen. Sie wollen Geld von uns! Ich stell mich auf bewährte Art blöd, sage, wir brauchen nix und Peru ist schön und schon fahren wir weiter. Als zum dritten Mal solche Typen auf die Straße springen, spar´ ich mir das Bremsmanöver.
Jetzt ist es aber wirklich aus: Riesenstau mitten auf der kurvigen Bergstraße. Vor uns stehen sehr viele Lastwagen. Schon Peru-geschult, nehmen wir die linke Fahrspur und fahren mal an der Kolonne vorbei. Endstation im Menschenauflauf, ein paar Autos parken sich im Gras an Abhangnähe ein.
  
 Dieseldüfte kommen uns entgegen. Es regnet, die Dämmerung bricht herein. Etwas weiter oben liegt ein LKW quer über die Straße. Schwitzende, muskulöse Jungs sind schon dabei, die schwarzen 50kg-Kaffeesäcke von der Fahrbahn zu tragen. Das hat er also mit „Logistikproblemen“ gemeint... 
Meine Einschätzung: das dauert noch... Heute kommen wir nicht mehr nach Chachapoyas. Nur eine kurze Strecke zurück war doch ein „Restaurante campesino“, quasi ein Landgasthof. Tatsächlich speisen wir gut und günstig und übernachten dürfen wir hier auch.
Nicht nur das, unser Fahrzeug wird ins Festzelt gelotst, die große Musikanlage zur Seite geräumt und schon kann uns der Regen nichts mehr anhaben.
Blöd nur, dass am nächsten Morgen die Batterien keinen Saft mehr zum Starten hergeben wollen/können.
Geahnt hab ich´s schon seit ein paar Tagen, aber in den Dörfern hier sind Autobatterien seltener als Bananen, Papaya und Kaffeebohnen...
Kraftakt: Zusammen mit der Wirtin schieben wir den Land Cruiser aus dem Zelt bis er mitten am Fußballplatz steht.
Als Abschiedsgeschenk hat mir mein Vater Überbrückungskabel mitgegeben. Danke, weiser Mann! Die können wir nun wirklich brauchen und schon der zweite angeflehte Pick-up-Fahrer spendiert den Saft zum Starten.

Chachapoyas, wir kommen!