
All das ist das zwar juckend, aber
harmlos: aufgrund des alkalischen Wassers gibt es hier weder Malaria,
noch Denguefieber noch den (derzeit offenbar heillos übertrieben
verteufelten) Zika-Virus.
Wir beschließen, am nächsten Tag
abzufahren, nicht weit, nur etwa 20km zu einer kleinen Insel im
Überschwemmungsgebiet – mit unzähligen Vögeln, Kaimanen und
Wasserschweinen rundherum.


Und als wir gerade ein Wildbienennest,
höchst eindrücklich in einem Baum angelegt, bewundern, passieren
zwei Dinge:
Ich komme drauf, dass ich ein
Akkuladegerät beim Hotel vergessen habe.
und ein deutscher Overland-Truck der
Kategorie „Übergewicht“ bleibt neben uns und vor einer
windschiefen Brücke stehen. Wieder einmal haben Leute mit großen
Autos große Probleme: komm ich da unbeschadet drüber...?
Sie kommen drüber und weil wir sowieso
nochmals zurück müssen, überzeugen wir die beiden, am nächsten
Morgen mit uns ein Boot zu teilen – wir wollen den Jaguaren noch
eine letzte Chance geben, sich so richtig zu zeigen...
Es liegt eine heiße Nacht hinter uns
(natürlich temperaturmäßig!), als wir diesmal nur mit dem
Sweatshirt bekleidet, der Morgendämmerung entgegen preschen. Kein
Morgennebel am Fluss, zu gering der Unterschied zwischen Wasser und
Luft...
Wird sich ein Jaguar zeigen, wird er
die Chance nutzen und uns eine anständige Einlage bieten? Es sieht
nicht so aus. Ein Reiher mit einem großen Fisch, mit dem spitzen
Schnabel frisch harpuniert ist lange Zeit die spektakulärste
Ausbeute... Dann wieder Riesenottern, zunächst am Fisch schlemmend,
dann wie immer quirlig an der Böschung agierend.
Die Sonne steht
schon sehr hoch, sind die Jaguare schon auf Mittagspause? Ein
Funkspruch signalisiert die Sichtung einer Raubkatze – wenig später
sind wir dort, aber der Jaguar weg. Wasserschweine stehen heute nur als Zuseher herum und die vielen faulen Kaimane im Halbschatten können
uns auch kaum trösten...
Ja, nette Landschaft, ein paar
interessante Tierbeobachtungen, aber ohne Jaguar, na ja...
Als wir um die Flussbiegung
stromabwärts, heimwärts kommen stehen ein paar Boote da. Dort, im
Gebüsch, dort ist er. Nein, sind sie. Wir erfahren, da befindet sich
eine Jaguarmutter mit zwei Jungen im Uferdickicht.. Sicher ist, sie
werden rauskommen. Unsicher ist, wann...
Warten.
Kurzer Motorschub stromaufwärts,
wieder runtertreiben lassen, wie eine Tanzschule bewegt sich die
ganze Flotille voller neugieriger Menschen im Takt. Hinter uns hätten
Tiger und Löwen vorbeilaufen können – alle, alle starren auf das
eine Gebüsch!
Bewegung in den Ästen! Ein Windstoß.
Geh, bitte, manövrier doch das Boot
etwas näher. Ach so, du meinst die Raubkatze kommt weiter unten ans
Ufer heran ...
Hoffentlich kommt sie überhaupt.
Die Uhr tickt gegen uns, wir haben
einen Halbtagesausflug gebucht...
Der Busch bewegt sich wieder. Ein
Jaguarkopf schaut hervor. Langsam kommt die Katze ganz zum Vorschein.
Und verschwindet gleich wieder hinter dem nächsten Grünzeug.
Schade. Kätzchen, du hast deine Chance nicht genutzt! Kein
brauchbares Foto gelungen. Dafür zwei Hinterköpfe abgelichtet,
menschliche.
Warten.
Da kommt sie wieder. Unser Bootsfahrer
hat gut geraten, wir stehen in Poleposition – Frau Jaguar kommt auf
uns zu, bleibt stehen, blickt langsam um sich. „Ich bin hier der
Boss!“ scheint der Blick zu sagen. Eine geschmeidige Wendung –
und schon wieder ist so ein blödes Gestrüpp vor dem eleganten Fell.
Roden sollte man den Pantanal!
Warten. Motorschub, etwas
stromaufwärts, die großen Boote mit dem Menschen mit den ganz
teuren Kameras in der Hand sind ganz vorne. Sie sehen aber auch nicht
mehr. Und ein Tele hilft gar nichts, wenn man die Katze, die gerade
wieder zwischen hohem Gras auftaucht, einfach nicht sieht... (was so manchem Touristen trotz geduldiger Guide-Hilfe passiert)
Langsam trabt sie flussabwärts.
Unseren Adrenalinspiegel hält Frau Jaguar nun schon gut 15 Minuten
in Alarmzustand.
Ducken. Vorwärts. Platsch! Nein, das
ist es kein Rekrut bei der Übung, sondern eine Raubkatze auf der
Jagd. Ui, das war schnell und unerwartet. Mehr als spritzendes Wasser
ist am Foto nicht zu finden. Aber sie war nicht schnell genug, nass
und ohne Beute kommt sie hinter dem Gras hervor.
Warten. Kätzchen wartet enttäuscht,
wir warten hoffnungsvoll. Wann kommt die nächste Chance?
Überhängende, abgestorbene Äste im
Bild sind nicht optimal zum fotografieren. Leider wissen das Jaguare
nicht. Die nächste Jagdszene wird genau dorthin verlegt.
Anschleichen, Körperspannung, Satz vorwärts, Gischt. Leider nein.
Es ist fast ein verlegener Blick zu den Booten. „Sorry, wieder
nichts erwischt...“ Kaimane sind offenbar wachsamer als Jaguaren
lieb ist.
Jetzt steht sie mit ihrem wunderschönen
Fell und dem eleganten Körper wieder da und hat nichts für ihren
Nachwuchs zwischen den Reisszähnen.
Unser Bootsführer zeigt auf die Uhr -
bald müssen wir am Hotelpier zurück sein. Hallo, Frau Jaguar, du
hast noch eine letzte Chance bevor wir fahren! Es sind bereits einige
Boote abgefahren, nur mehr drei warten ab, was jetzt passiert.
Warten. Wir am Wasser, Katze am Ufer.
Ein paar geduckte Schritte und schon wieder ist das schwarz getupfte
Fell außer Sichtweite!
Unser Schiffsbug dreht bedrohlich gegen
flußabwärts. Mit meinem allercharmantesten Augenaufschlag bitte ich
den Chauffeur um fünf Minuten Frist. Das Boot bewegt sich wieder
etwas stromaufwärts – und in diesem Moment kommt die Jaguarmutter
schwerbepackt aus dem Gebüsch – ein Kaiman, beinahe so lange wie
sie selbst will nun bis zu den hungrigen Kleinen geschleppt werden.
Dank des sehr kräftigen Gebisses ist
der Transport selbst kein Problem. Durch die Gewichtsverdoppelung
bricht aber das Sandufer unter den Pfoten ein und ein-, zweimal tritt
sie dem toten Kaiman auf den Schwanz und kommt ins stolpern... So
bewegt sich das ungleiche Paar flußaufwärts, bis die Jaguarin mit
ihrer Beute am Kinderbusch ankommt. Hier verschwindet sie, das nun
beginnende Festmahl bleibt unseren Augen verborgen.
Wieder dreht sich der Bootsbug
flussabwärts.
Danke, Jaguar, du hast deine letzte
Chance bestens genutzt!
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