Sonntag, 31. Januar 2016

Futaleufú – Gaby lässt mich den Bach runter!

„Ich nicht, aber du kannst ja gerne!“ Gaby hat Angst um ihre lädierte Halswirbelsäule und lässt mich die Sache allein ausbaden. Aber ich schaff das schon!

Wir befinden uns nach holpriger Fahrt nun mitten in den Anden. Das sind hier aber gerade mal 400m Seehöhe mit Gipfeln bis zu rund 2200m, nur leicht schneebedeckt. Dies reicht aber, um dem Fluss ein anständiges Gefälle zu geben und wenn sich Felswände zusammendrängen, dann werden ansehnliche Stromschnellen geboren.
So kommt es, dass dieser verschlafene Ort Futaleufu zu einem Mekka für Kajak-Sportler und Rafting-Freaks geworden ist. Und dies sehr gut vermarktet. Verschiedenste Stellen bieten Rafting-Touren an und preisen die Qualität der „rapidos“ und des eigenen Service. Die Preise sind wie in Europa und dem Rest der Welt: recht üppig fürs Gummibootfahren...
Natürlich kann ich nicht widerstehen und mit einer Handvoll Wagemutiger steige ich in den Minibus. Rund die Hälfte der „Sechs-Stunden-Tour“ sitzt man im Auto, Stromschnellen gibt es halt nicht im Ortsgebiet. Wow! Die gute Ausrüstung liegt fein säuberlich wie geordert da, die Rafts sind neuwertig, die Sicherungsmassnahmen umfangreich (2 Extrarafts und ein Rettungskajak...). Der sympathische Guide spricht englisch. Einweisung wie üblich, aber nicht zu lang, es kann losgehen.

Ja, es sind feine Stromschnellen, viel Weißwasser, ein paar anständige Walzen – aber der Oarsman hat alles (viel zu) gut im Griff. So ein Flip wäre ja immer ganz nett...
 Die Sony A6000 mit Unterwassergehäuse versucht sich beim Raften. Bis der Temperaturunterschied zwischen Wasser und heißer Luft das Gehäuse anlaufen läßt...
Es sind zwar nicht die mächtigsten Stromschnellen, die ich bisher durchfahren haben (das war doch am Sambesi...), aber es gibt nur wenige Steckenabschnitte, die gemütliches Hinuntertreiben waren.
 Nach rund 2 Stunden am Wasser ist der Körper gut durchgearbeitet   An der Ausstiegstelle kann ich das türkisblaue Wasser und die tiefgrünen Berghänge noch mal richtig genießen - unterwegs waren wir ja wirklich dauernd beschäftigt. Dann geht es holprige 30 km zurück ins Dorf.

Dort beginnt morgen das größte Fest des Jahres, das große Rodeo. Das ganze Wochenende lang! Wir verlängern also unseren Aufenthalt und werden schauen, wie sich Ross und Reiter hier so tun. 

Das Rodeo ist nur mäßig spannend, wir verabschieden uns nun nach Argentinien. Es ist Sonntag der 31. Jänner, es ist fast wolkenlos und hat rund 30 Grad. Im Fluss Futaleufú war ich heute früh nach unserem Morgenspaziergang im gleichnamigen Nationalpark schon baden. 

Und das wirklich sensationelle: ICH BIN MIT DEM BLOG WIEDER UP-TO-DATE!!! 

Leider wird sich das in Argentinien mit dem schlechteren Internet wohl gleich wieder ändern.

Carretera Austral – das Museum

Nein, hier geht es nicht um Politik. Der Blog soll unsere Reise festhalten und dich unterhalten, er darf nicht polarisieren.

Aber der Name Pinochet muss fallen. Der Diktator, der Menschen verschwinden ließ, der den linken Präsidenten Allende ablöste, dem nichts Gutes nachgesagt wird.

Aber manchmal treten beim autoritäre Regime gerade die Kräfte zu Tage, die Positives bewegen. Nach den vielen Jahren, in denen im chilenischen Militär ein Arbeitscorps existierte (das auch für die Verbesserung der Infrastruktur im bis in die 1950-er Jahre vergessenen Süden sorgte), setzte General Pinochet seine Soldaten nun massiv für den Bau einer Straßenverbindung bis Punta Arenas in Bewegung. 1976 gab er den Startschuss zum Bau der „Carretera Austral“.
Bis heute ist man damit beschäftigt – allerdings dürfte es jetzt eine mehr zivil orientierte Angelegenheit sein.

Passend jedenfalls ist das Museum in einer Kaserne in Chaiten untergebracht, Führerschein einkassiert, Schlagbaum hoch, per Funk wird unsere Ankunft kundgetan. Ein weiterer Uniformierter nimmt uns in Empfang, lässt uns durch das kleine, aber interessante Museum gehen.

Mit der Straße wurde Land in der Größe von Uruguay an die „Moderne“ angeschlossen. (Dies bedeutet aber auch, dass immer mehr unzerstörte Regenwaldgebiete zerschnitten wurden und den Zugriffen der Holzindustrie ausgeliefert wurden – siehe früherer Text Parque Pumalin. Andererseits wurden die wichtigsten Edelhölzer in den 80-er Jahren unter Schutz gestellt)

Andere bemerkenswerte Zahlen: Rund 500.000 Kilo Sprengstoff sind verwendet worden, der Bau der Straße soll „nur“ rund 200 Millionen US-Dollar gekostet haben (ich glaube, da haben die Soldaten gratis gearbeitet...) und der Ort Chaiten wird auch angeführt: schwierige Arbeitsbedingungen hier, 12 Monate Regenzeit, Niederschlagsmenge über 3800mm...
Heute regnet es übrigens auch.

Am Weg aus der Kaserne mache ich noch einen kurzen (verbotenen, aber interessanten) Abstecher zu den Wellblechruinen, die der Vulkan auch hier hinterlassen hat...

   

Vulkan Chaiten: er raucht - wir schwitzen

Nein, frühmorgens sind wir nicht losgezogen, aber da war ja auch noch alles in Wolken und wir sind ja seit Feuerland auf Urlaub.:-)

Gegen Mittag ist der Parkplatz am Fuße des Vulkans Chaiten an der Grenze der Belastbarkeit. Dafür sind die Temperaturen angenehm und die Sonne könnte dann irgendwann mal hervorkommen. Vor uns liegen gute 700 Höhenmeter zur Caldera des Vulkans. Auf rund 2,2 km Pfad verteilt, machen wir uns auf einen steilen und staubigen Anstieg gefasst.


Eigentlich galt der Vulkan als seit Jahrtausenden erloschen. Was den Berg aber nicht daran hinderte, 2008 zu erwachen und den halben Park sowie das gleichnamige Städtchen Chaiten unter einer Aschedecke zu begraben. 20Km hoch ist die Wolke aufgestiegen. Und weil es ihm so gefallen hat, meldete er sich 2009 nochmals. Seither ist der Berg um 200m höher – ein Vulkankegel in der alten Caldera, der gesamte neue Gipfelbereich raucht und riecht (aber nur ein bisserl nach Schwefel).
    Schwitzend, schnaufend und mit ziemlicher Energieleistung kommen wir in guten 90 Minuten rauf. Wir stehen auf rund 750m Höhe und blicken zum Rauch. Es reicht. 
Das haben sich die rund 20 anderen hier heroben auch gedacht – wie auf Kommando starten fast alle den Abstieg. Wir bleiben allein zurück – dafür gesellt sich die Sonne zu uns. Perfektes Timing. Totes Gehölz, riesige Bäume, einfach umgeblasen von der Druckwelle und heiß getrocknet vom Ascheregen sticht hier und an den Hängen den nächsten Berge ins Aug (allerdings nicht in alle Richtungen...). Wieder so ein magischer Ort, der durch Ruhe und Einsamkeit stark gewinnt.

Der Abstieg war hart für die Knie, auch das Gelenk raucht. Es reicht für heute.

Epilog: Am nächsten Tag fahren wir durch Chaiten und erkunden, welche Verwüstung der Vulkan hinterlassen hat. Die Narben sind nicht verheilt.


auch Patagonien: im Parque Pumalin

Auf der einspurigen Carretera Austral läuft die große Jagd: Schnell nach Hause oder ins gebuchte Hotel – jedenfalls herrscht nach der Abfahrt von der Fähre in der Dunkelheit und auf staubigem Wellblech Überholbedarf.

Wir spielen nicht lange mit und verabschieden uns nach links auf einen Parkplatz. Und gute Nacht!

Nebelschwaden ziehen über die Hänge, Regentropfen fallen vom Himmel oder aus den hohen Bäumen. Gespenstische Ruhe. Rundherum ist alles grün und nass. Deswegen heißt es wahrscheinlich Regenwald. Gemäßigter Regenwald. 9 Grad. Sehr gemäßigter Regenwald. 
  
 

Motorenlärm. Ein argentinischen Wohnmobil, Typus Eigenbau in den 70-er-Jahren, tuckert vorbei. Ruhe.

Wir wissen eigentlich nicht ganz genau wo wir sind, freuen uns aber beim nächsten Schild: Parkplatz zum „Sendero Bosque los Alerces“. Hier wollen wir hin, zu einem der letzten größeren Waldflächen dieser bis zu viertausend Jahre alten Zypressenart. Der Himmel reißt langsam auf, wir wandern eine Stunde durch den nassen Wald auf nassem Pfad und gelangen in den Märchenwald. Himmelhohe Bäume, nur ganz oben mit moosbewachsenen Armen, die in alle Richtungen ausladen. Aber auch die mächtigen, rotholzigen Stämme sind ein eigenes, moos- und pflanzenbewachsenes Biotop. Wir kommen aus der Augen-rauf-Positon kaum weg.


Und genau hier liegt das Problem, der Konflikt, die gute Tat: Der US-Milliardär Douglas Tomkins (über ihn und seinen tödlichen Kajakunfall habe ich vor ein paar Wochen berichtet) hat hier in einem praktisch unbewohnten Gebiet über längere Zeit Grund gekauft und ist mit über 300.000ha zum größten Landbesitzer Chiles geworden.

Der Philanthrop möchte die Natur vor der Gewalttätigkeit der Menschheit schützen und errichtete hier den privaten Parque Pumalin und unterstützt umliegende Nationalparks massiv (tolle Bildbände zeigen übrigens die schönsten Seiten des Thomkins-Engagements!). Neben dem Naturschutz gehören auch angepasste Landwirtschaft und Lebensweise zu den Gesamtinhalten des Pumalin-Projekts.

Mehr darüber findet man unter: http://www.parquepumalin.cl/en/index.htm

Das offizielle Chile, allen voran das Militär, beäugte diesen Riesenbesitz und die Aktivitäten der Stiftung mit Argusaugen – die Landkarte zeigt rasch: das eher schmalbrüstige Land wird vom Pumalin-Park an zwei Stellen gar geteilt. Wenn da strategisch gedacht wird – was könnte da dahinter stecken...?

Man ist sich aber doch näher gekommen und seit nunmehr 10 Jahren ist Paumalin ein „Parque Pumalin. Sehr zu unserer Freude, denn nicht nur die Wälder sind einmalig, auch der Campingplatz El Volcan erweist sich als ebenso schön wie preisgünstig. Angelegt ist dieser auf einer großen offenen Fläche im Wald. Woher diese? Holzfäller sind vor über 30 Jahren hier eingefallen und haben alles Brauchbare (d.h. große, alte Bäume...) an die Küste gebracht. Straße hat es damals hier noch gar keine gegeben. Aber dazu später...
Das Wetter bessert sich, die Sonne lacht zwischen den Nebelschwaden durch und kämpft für uns den Blick auf den Vulkan Chaiten frei. Heute Nachmittag besuchen wir nur den 2-km-Naturlehrpfad (49 von 50 Pflanzen gefunden, nur die Nummer 8 gibt es nicht...).

Im übrigen genießen wir heute Landschaft und Ruhe und überraschend schönes Wetter...

PS: Die Tomkins-Stiftung kümmert sich auch um andere Gebiete entlang der Carretera Austral, wen es interessiert kann hier reinschnuppern:
http://www.tompkinsconservation.org/news/2012/11/26/documenting-and-advocating-for-the-carretera-austral-a-window-into-chilean-patagonia/


wieder Carretera Austral – diesmal fast ganz oben

Wie wir schnell mitbekommen: weiter oben, also rund 60km südlich von Puerto Montt (dort beginnt diese chilenische Nors-Südachse), bedeutet nicht besser. „Ripio“, also eine schlaglochträchtige (und aktuell sehr staubige!) Wellblechpiste wechselt sich mit hervorragenden Asphaltstrecken ab. In der zwischen türkis schimmernden Meer und dicht bewaldeten Andenhängen malerisch gelegenen Ortschaft Hornopiren ist mal Sendepause: Die Fähre um 16 Uhr ist ausgebucht. 
Da nutzt es auch nix, wenn man schon um 11 Uhr da ist.

„Aber vielleicht...“, macht uns die Dame am Schalter leise Hoffnung. „Seid einfach um 15 Uhr wieder hier.“ Aber sicher, nach einem Spaziergang sind wir wieder da.
Es wird schon heftig eingeladen auf die Fähre. Ich frage den „Schiffs-Schaffner“, wie denn unsere Chancen stehen. Es meint nur: alle ohne Ticket stehen in dieser Schlange. “ Mir verschlägst den Atem. Wo Mittags zwei Autos waren, stehen jetzt 20. Ich bin sauer auf die Fahrkartenverkäuferin...

Nach bangem Warten werden wir doch noch aufs Schiff gewunken und genießen die Ausfahrt aus der Bucht. Immer mehr schneebedeckte Andengipfel tauchen hinter der Küstenkette und dem perfekt geformten Vulkan Hornopiren auf. Wir genießen eine fünfstündige Küstenfahrt mit dauernd wechselndem Panorama.
Dass der Ticketverkäufer an Bord „unabsichtlich“ den im Fahrzeugpreis enthalten Chauffeur nochmals verrechnet, nehmen wir lächelnd zur Kenntnis. Gaby reklamiert und erhält doch tatsächlich den Betrag zurück...
Rechtzeitig mit einbrechender Dunkelheit und beginnendem Nieselregen werden wir ausgeladen. Wir befinden uns nun im legendären „Parque Pumalin“...