Montag, 23. November 2015

Schon wieder San Francisco

… da waren wir doch schon vor ein paar Wochen, auf der Fazenda San Francisco im Pantanal. Hitze und Gelsen. Auf Meeresniveau. 
 
Jetzt schwingen wir uns mit vielen Kehren auf meist guter, teilweise aber nur notdürftig reparierter Piste die Anden aufwärts. Paso San Francisco. Keine Gelsen, keine Hitze. Hoch hinauf.

Beeindruckende kahle Landschaften. Weite Hochebenen, dann wieder enge Schluchten, durch die wir uns bergwärts zwängen. Ein paar Riesengipfel, schneebedeckt, wachen über uns.
 
Knapp unter 4000m, auf der Hochebene am Rande einer weiten Salzfläche, erledigen wir die chilenischen Grenzformalitäten. Container- und Wellblechbarracken, winddurchzogen und saukalt. Das muss eine Zollbeamtenstrafkolonie sein. Sie sind trotzdem freundlich.


Wir biegen auf den Salzsee ab, eine Wellblechpiste führt uns zur Laguna Santa Rosa. Dort gibt es ein Refugio, angesichts des Sturms und der tiefen Temperaturen denken wir, das könnte ein kuscheliges Nachtquartier sein. Von einem Hügel ein atemberaubender Überblick über den blauweißen See mit rosa Flamingo-Tupfern. Von den 6000-ern in unserem Rücken erwarte ich mir ein Sonnenuntergangsspektakel.


Gaby ist sehr mit sich selbst beschäftigt. Seit ein paar Tagen plagen sie arge Kreuzschmerzen, der Husten ist in den Gebirgswochen zum Dauerbegleiter geworden, die Kombination ist höchst unangenehm. Dazu kommen bei ihr auf dieser Höhe trotz langer Akklimatisation Kopfweh. Und die Luft ist für uns beide dünn hier oben. Trotzdem stimmt sie einer Nacht hier oben zu, tapfer!

Am frühen Nachmittag zeigt sich das südliche Altiplano aber auch von seiner freundlichen Seite – beinahe mild - und die Andenvereins-Holzhütte ist zwar außer ein paar Matratzen leer, wirkt aber wunderbar windabweisend. Mit Power-Tape bringe ich die pfeifenden Fenster zum Schweigen.


Vorbei ist es mit der bergromantischen Einsamkeit – zwei Franzosen mit einem Mietwagen (VW Golf, Allrad ist eindeutig überbewertet!) haben sich auf der südlichen, angeblich schlechteren Piste, heraufgewagt. Sie berichten, dass sie überhaupt keine Schwierigkeiten auf einer perfekt gepflegten Strecke hatten. Diesmal war unser Einheimischen-Tipp wohl etwas veraltet...


Wir tragen unsere Schlafsäcke, Decken und Iso-Matten in den einen Raum und okkupieren diesen. Schließlich habe ich ja hier die Fenster geflickt. Die Sonne verkriecht sich hartnäckig hinter Wolken, wir brechen trotzdem zum Strandspaziergang auf. Enten, Bergmöwen (?) und natürlich Flamingos fühlen sich im Salzwasser nahe des Gefrierpunkts offenbar wohl. Alles nur des Futters wegen – weil in der Karibik müsste es doch viel angenehmer sein, permanent bis zum Bauch im Wasser zu stehen...


Der Tag neigt sich dem Ende zu und die Sonne hat Erbarmen: Vor uns strahlen die schneebedeckten Gipfel orangerot um die Wette, einige wundersam geformte Wolken bilden den passenden Rahmen. Schön langsam färbt sich die Laguna Santa Rosa tiefblau, die Berge spiegeln sich darin, Pastellfarben dominieren diesen Anblick für die ewige Erinnerung...




Scheißnacht, viel kälter als im Schlafwagen ist es hier in der Hütte. Außerdem sind noch drei Chilenen in der Dunkelheit zu uns gestoßen, die nun im Vorraum liegen. Ihr Versuch, den Ojos de Salado – mit rund 6800m der höchste Vulkan der Erde – zu besteigen, ist soeben gescheitert. Die Route ist durch das viele Schmelzwasser weggeschwemmt worden. „Na“, denke ich mir, „ dann hab ich einen guten Grund, Geris Tipp nicht zu befolgen!“


Geri Winkler, einer der erfolgreichsten österreichischen Bergsteiger, hat nämlich vor ein paar Monaten salopp fallengelassen: „So einfach kommst du sonst nirgends so hoch hinaus...“


Nach einem durchfrorenen Frühstück geht es mit einer sichtlich angeschlagenen Frau am Beifahrersitz weiter bergauf. Noch rund 700 Höhenmeter und eine saftige Überraschung. Knapp vor der Passhöhe rückt plötzlich die Laguna Verde ins Blickfeld. Ein opulentes Schauspiel von Farben und Formen, vegetationslos. Rote Felsen mit schwarzer Vulkanasche bedeckt rahmen die türkisfarbene Salzlacke ein. Dahinter, wie mit Samt überzogen, Bergkegel in schwarz, grün, rot, grau. Gaby findet es auch toll, bekommt aber wenig davon mit. Selbst hier oben, auf über 4500m gibt es noch ein Refugio – mit einer warmen Thermalquelle daneben. Das Gesicht beim rauskommen möge man sich nicht vorstellen! Hierbleiben? Nein, wir müssen in tieferes Gelände!

 

Asphalt. Die Passhöhe ist erreicht. Argentinien liegt uns zu Füßen ... 

Rechts von uns erhebt sich der Vulcan San Francisco. 6016m verkündet das Schild, mit Hinweistafel auf den „Wanderweg“ hinauf. Nur zu gerne hätte ich es probiert, es ist wohl der billigste 6000-er des Planeten. Die Vernunft sagt aber, mit Höhenkrankheit ist nicht zu spaßen. Also rasch runter, die Thermen erwarten uns!

Die Wüste blüht

Egal ob im deutschen Fernsehen oder auf der Internet-Startseite: es ist in den Schlagzeilen. El Nino hat auch kleine Vorteile - etwa, dass der übermäßige Regen in der Atacama-Wüste ein paar Monate später zur Blüte bringt. 

Dies wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Wieder der Tipp eines Einheimischen – anstatt der langen Asphaltstrecke über Calama nach Antofagasta können wir auch eine wesentlich kürzere Erdpiste nehmen. Da es am Salar de Atacama neuerdings eine riesige Lithium-Mine gibt, wurde die Piste mit Salz gehärtet und es fährt sich besser als auf Asphalt. Nur mit sehr vielen LKWs sei zu rechnen. Beides stimmt. 


 








Antofagasta ist eine Metropole – die zweitgrößte Stadt des Landes – und geizt mit Sehenswürdigkeiten – dafür versprüht die City und ihre Bewohner wesentlich mehr Charme als etwa San Pedro...


Mangels Camping-Alternative fahren wir einfach die Küstenstraße südwärts – bis diese in pechschwarzer Nacht überraschend endet. Da gibt es keinen Verkehr mehr, ein idealer Stellplatz also. Über uns kreisen die Geier.


Am nächsten Morgen erkunden wir die Steilküste, die bewuchslos, dafür mit spektakulären Felsformationen ins Meer stürzt. Ein einsamer Fischer pflügt durch die Schaumkronen – die nicht von der Brandung sondern wohl von der nahen Großstadt erzeugt werden.



Eine lange Etappe bringt uns in den Nationalpark Pan de Azucar, der rund 500km südlich liegt. Unterwegs klettern wir auf rund 2500m, um das Observatorium Cerro Paranal zu besuchen, eine Forschungsanlage der Europäischen Union. Die Luft ist glasklar, wie das in diesem Sturm funktioniert, bleibt uns ein Rätsel. Vielleicht ist aller Staub schon weggeblasen... Da es nur jeweils am Samstag eine Führung gibt, bleiben die Tore für uns verschlossen.
 


Gut "geteimt", gegen Sonnenuntergang, erreichen wir die Nordeinfahrt des Nationalparks. Was uns keiner gesagt hat: die heftigen Regenfälle haben die Zufahrtsstraße weggeschwemmt!

Da wir in dem breiten Tal aber einige Fahrzeugspuren finden, folgen wir diesen westwärts, unserem ersten Pazifik-Bad entgegen. Glauben wir. Denn nach rund 20 weglosen Kilometern durch das (inzwischen wieder) Trocketal stehen wir vor einer tiefen Rinne. Als alte Fährtenleser erkennen wir: da haben die vor uns auch umgedreht... 

Dabei belassen wir es, freuen uns über diesen wunderschönen Offroad-Ausflug und richten uns zur Nachtruhe ein.


 Mit rund 60km Umweg treffen wir dann doch im Nationalpark ein und erfahren vom Parkranger, dass wir um einige Tage zu spät dran sind. Von voller Blüte keine Spur mehr... Er empfiehlt aber die Wanderung in eine Quebrada (Trockental...) - und tatsächlich, da finden wir eine abwechslungsreiche Vegetation mit vielen blühenden Pflanzen, aber keine flächendeckende Blüte mehr. Schade.


So nebenbei genießen wir den - Humboldtstrom sei Dank - sehr erfrischenden Pazifik und die Steaks in dieser wunderbaren Strandkulisse...


Und die Hoffnung stirbt zuletzt: In größerer Höhe ist die Vegetation doch später dran, dass habe ich in der Schule gelernt. Also wenden wir uns wieder nach Osten.

 
Da trifft es sich gut, dass der Paso San Francisco wieder geöffnet ist. Das schwere Erdbeben im August hat der Straße arg zugesetzt, sodass der Pass bis vor kurzem gesperrt war (normal geht er wetterabhängig Anfang Oktober auf, heuer eben etwas später).




Tatsächlich sind oberhalb von 2000m die Berghänge in rot und violett eingefärbt. Nicht mehr perfekt, aber immer noch sehr schön.


Und das ist erst der Anfang von dem, was diese Straße, die uns bis auf 4750m Höhe führt, bieten kann...

Die rote Lagune

San Pedro sieht uns nur mehr zum Tanken und bei einem Kurzbesuch am Markt (uiii, der Vulkan Licancabur, 5900m hoch, erhebt sich schon superschön über den Ort...).

Wir haben in der sehr hilfsbereiten Touristeninfo erfahren, dass die Strecke über den Paso Sico wieder freigegeben ist. Der Vulkan Lascar, ein weiterer imposanter 5000-er, hat kurz vor dem Erdbeben Rauchsignale abgegeben. Die Behörden haben daher die erste Warnstufe ausgerufen, keine Evakuationen, aber Sperrung des Gebietes. Einheimische in San Pedro meinten nach dem Erdbeben auch stoisch: Das Beben regt uns nicht auf – aber vor dem Vulkan haben wir schon ein wenig Angst... 



Wen es interessiert: unter http://www.volcanodiscovery.com/lascar.html gibt es mehr darüber - und eine interessante Seite über aktive Vulkane allgemein! 

Seit gestern darf man wieder in die Gegend – und wahrscheinlich weil wir weniger von Vulkanen wissen, fürchten wir uns auch nicht sehr davor. Eher neugierig wären wir...

Unser Ziel ist aber nicht der Vulkan selbst, sondern die Passstraße, die beinahe rund um den berg herum und schließlich in weit über 4000m Höhe nach Argentinien führt. Der Paso Sico. Knapp davor liegt der Salar de Talar, präzise die Laguna Aqua Calientes - nämlich die „Nummer 3“ davon - ist unser Ziel. In rund 4.000m Höhe in exponierter Lage gibt es 45km² Salzfläche und etwa 2,5km² Wasserfläche. Am Ufer befinden sich rote Felsen, die besonders in der Abendsonne erglühen. Das muss ich sehen, da muss Gaby mit!

 Es wieder ein Rennen gegen die Uhr bzw. gegen den Sonnenuntergang, aber ich gewinne trotz der Wellblechpiste auf den letzten Kilometern knapp. Gaby setzt die Höhe und der Sturm zu, sie bleibt im Auto sitzen, ich begebe mich auf Fototour. Leider ist wegen des Sturms an den Einsatz eines Stativs nicht zu denken...


Vor lauter Begeisterung über die Farbenspiele an der „Roten Lagune“ bemerke ich gar nicht, dass meine Nasenspitze gefühllos wird und sich im Körper eine leichte Unterkühlung breit macht. Als ich nach dem Verblassen der blauen Stunde ins Auto steige, schüttelt es mich ganz schön durch. Sturm, Kälte und Gabys Kopfweh lassen uns die Entscheidung finden, ein paar Höhenmeter tiefer zu fahren, die Strecke ist ja nicht schwierig. 

Schließlich finden wir an der schmalen Piste zu einem anderen "Lagunenschutzgebiet" hinter ein paar Felsen ein annehmbares Plätzchen für die Nachtruhe. Und dann gibt sogar der Wind Ruhe...

Über uns ein Sternenhimmel, der sich verdient hätte, länger bewundert zu werden. Aber die Kälte treibt uns in den Schlafsack.