Sonntag, 28. Februar 2016

in die Pampa Negra

Brennend heiß sind Luft und Schotterpiste. Die Ruta 40 schneidet hier im Süden der Provinz Mendoza durch eine fade Halbwüste. Bis es schwarz wird. 


Inmitten der Lavazunge machen wir Mittagspause, der Rio Grande plätschert unter uns und das Geräusch vermittelt „geistige Abkühlung“. Kurz zuvor waren wir unter der RN-40-Brücke schon baden...

 
 

Im Osten reihen sich die Vulkankegel nebeneinander, eine unwirkliche Landschaft. Dazu eine faszinierende Wolkenstimmung (ja, ja, die Wolken in Südamerika...).
Die Landkarte weist das Gebiet als regionale Schutzzone aus, selbst die Detailkarte verweigert Infos über Zufahrtswege. Also probieren...






 
Die Überraschung ist groß: die Piste ist wunderbar präpariert – und die Vermutung bestätigt sich bald: Da werden Bodenschätze ausgebeutet. Mal landen wir in der Sackgasse einer Ölbohrbasis, mal fragen wir einen der im neuesten Hilux vorbeifahrenden Arbeiter nach der richtigen Piste...

  
Und die Überraschung wird größer, die Gegensätze sind spürbar: silberne Pipelines laufen durch die Steppe, Ölpumpen auf allen Hügeln. Dazu Wegweiser zum Vulkanpark (mit dem Logo einer argentinischen Ölfirma) und Infotafeln: Ölsuche + Naturschutz = besseres Leben.
Da sind nicht alle dieser Meinung, indigene Familien protestieren auf großen Tafeln gegen die Verpestung von Luft und Erde.
  
Wir gelangen schließlich auf doch noch schwierigem Pfad (viele spitze Steine, aber kein Plattfuss!) mitten in die schwarze Wüste, die Pampa Negra. Über 800 Vulkankegel sollen hier rund um uns stehen und sie bilden eine Kulisse, wie wir es noch nie gesehen haben.


  

Ich such mir einen der höheren „Schutthaufen“ aus und marschiere in der bewährten „zwei-Schritt-vor-einen-zurückrutschen“ Taktik über die Vulkanaschenflanke aufwärts. 


Der Blick in den aufgebrochenen Krater und über die schwarzen Ebene mit schwarzen Dünen zu den anderen Vulkanen ist die Belohnung.


Runter ist es richtig lustig – und schnell! Am aufgerissenen Kraterrand runter ist eine Mischung aus Snowboarding und Geröllhaldenlauf. 
 
Mitten in dieser unwirklichen Landschaft finden wir einen etwas windgeschützen Platz und genießen die Einsamkeit...

Weil wir ja eigentlich gar nicht geplant hatten, hierher zu kommen, sind unsere Vorräte limitiert. Da kommen die Manner-Schnitten, die uns Erich vor ein paar Wochen als "Heimaterinnerung" nach Puerto Montt mitgebracht hat, gerade richtig. 




Die Existenz der Mapuche: wem gehört das Land?

Einer der größten Landbesitzer Argentiniens ist die Familie Benetton (jetzt wissen wir wenigstens, wohin der Gewinn aus dem Leiberlverkauf rollt...). Beinahe eine Million Hektar nennen die Brüder in Patagonien ihr eigen.
Aber auch Filmstars wie Christopher Lambert haben hier ansehnliche Anwesen gekauft (in dieser Gegend ist man nicht nur vor Paparazzi sicher, es muss dem Highlander ja wie daheim vorkommen!).
Allen diesen Ausländern ist mit den sonstigen Estancia-Besitzern und Inhabern von Schürfrechten gemeinsam, dass die Landrechte nicht überall klar sind.
Wie auch in anderen kolonialisierten Erdteilen gab es hier „blöderweise“ schon Menschen, die auf diesem Boden lebten. Und da es vor der Ankunft der Europäer mehr als genügend Land gab, machte man sich über Besitzrechte keine großen Gedanken.

Eigentlich begann erst im 19. Jh. die große Landnahme, nach der Unabhängigkeit Argentiniens. Nun wurde alles aufgeteilt, wer im Weg war, wurde vertrieben oder umgebracht.
Interessanterweise stört dieses Faktum das argentinische Selbstverständnis nur marginal. Der große Held im Indianerkrieg, General Roca steht in vielen Städten Patagoniens auf dem Hauptplatz am weißen Sockel. Nach ihm sind Straßen benannt. Die hunderttausenden Toten Indios bleiben ungenannt.



 
„Dummerweise“ gibt es immer noch einige Hunderttausend Mapuche hier am Andenostrand, vornehmlich in Araukanien (dieser wundersame Baum ist den Indios nämlich heilig). Sie leben ein einfaches Leben, wie an den Häusern und Siedlungen erkennbar ist. So sind sie es seit Generationen gewohnt. 
   
Und hier beginnt das Problem: Einerseits wurden Reservate geschaffen, damit diese Menschen in traditioneller Form leben können. Andererseits findet man immer wieder Rohstoffe in diesen Gebieten. Und – ganz aktuell – bei Rohöl hört sich der Spaß auf. Also werden die Indios immer weiter zurückgedrängt.
  
Was dies mit Benetton zu tun hat? Vor einigen Jahren siedelten vertriebene Mapuche auf den Benetton-Ländereien. Die einen behaupteten illegal, die anderen beriefen sich darauf, es sei schon immer ihr Land gewesen. Es kam zum Prozess und schlussendlich wurde den indigenen Familien ein paar Hektar zugestanden.
Gelöst ist dieses Problem aber noch lange nicht, dazu bedarf es wohl eines Umdenkens in einer Gesellschaft, die etwa die Sprache der Mapuche nicht in den Schulen lehren lässt. (Was übrigens in Chile inzwischen schon der Fall ist!)

Araukanien – oder: eine Fahrt durch den Jurassic Park rund um den Lago Aluminé

Irgendwann, ich glaub´ auf der Fähre kurz vor Puerto Montt, hab´ ich zu Gaby gesagt: „So, in nächster Zeit werden wir hauptsächlich auf Asphalt unterwegs sein!“ Ich habe nicht recht - fast jede Möglichkeit nutzen wir, um auf mehr oder weniger holprigen Pisten die weniger bekannten Gegenden Argentiniens zu erkunden.

So auch in diesem nordpatagonischen Kleinod, der Heimat der „Pehuén“ - einer ganz eigenartigen Baumgattung, die bei uns Araukarien heißen. Statt Blättern haben sie Schuppen an den weit geschwungenen Ästen – und wo man sie in großer Zahl an steilen Hängen oder als dichten Wald sieht, fühlt man sich gleich in die Zeit der Saurier zurückversetzt.Und es sind Gabys Lieblingsbäume, es gibt also Grund genug, die Gegend genauer zu inspizieren...


Ganz wichtig: Die Pehuén sind heilige Pflanzen des Mapuche-Volkes. Die Reste der Stämme, die einst im gesamten Großraum Chile und Argentinien gelebt haben, fanden in der Region ein Rückzugsgebiet.

 

Wir machen die große Runde entlang der chilenischen Grenze, um diese Wunderwelt genauer kennenzulernen. Gleichzeitig erhalten wir ein wenig Einblick in das Leben der Indios, die hier auf traditionelle Weise leben und mit simplen Tourismusangeboten einen Nebenerwerb entdeckt haben. 




Eines davon ist die Erlaubnis, auf einen Vulkan hinaufzufahren. 1000 Höhenmeter in 20 Minuten um 2 Euro. Die Piste führt steil und direkt die Aschenkegelflanke bergan. Geschafft, Geländeuntersetzung sei Dank!


In über 2000m Höhe ist es plötzlich kühl, die Rundumsicht aber einfach super. Vom vergletscherten Lanin im Süden über einige chilenische Vulkane reicht der Blick bis zu den schneebedeckten 4000-ern im Norden, die die Hochkordillere ankündigen. Und ostwärts? Unter uns ein türkiser Kratersee mit einem Araukarienwald und weit darunter der schimmernde Lago Aluminé. (Aluminé heißt in der Maputche-Sprache glänzend – kommt daher der Name des chemischen Elements?)

 
Die Nacht verbringen wir dann bei hell leuchtendem Mond in einem weitläufigen Pehuén-Hain am Seeufer. Irgendwie würde es nicht überraschen, wenn „Nessie“ auftaucht. Aber dafür sind die Tourismusmanager hier noch nicht abgebrüht genug.

Vulkan Lanin, Ausflug zur Schönheitskönigin

Es sind eh nur 60km Piste pro Richtung, das zahlt sich schon aus. Erstens kann nicht jeder von sich behaupten, an einem See namens Huechulafquen (Aussprache ungewiss) gewesen zu sein und zweitens: ist der Vulkan Lanin wirklich der schönste Berg (wahlweise der Welt/Südamerikas/Argentiniens)?

Eh klar, wir fahren bis ans Ende aller Straßen im Nationalpark Lanin – und finden direkt am See in einem Araukarienwäldchen einen traumhaften Stellplatz. 
  
Dann wird’s hektisch: die Sonne droht unterzugehen. Und noch so viel zu tun. Zunächst eile ich zu dem wunderhübschen Wasserfall El Saltillo, der Gletscherwasser vom Lanin in den See bringt, dann geht es auf eine etwas größere Wiese...
Abendstimmung auf der Wiese, äh, Pampa. Dahinter erhebt sich der mit 3768m etwa großglocknerhohe Vulkan Lanin in gleichmäßiger Kegelform. Uns stört aber der Knick ganz oben, trotz des betörenden Abendrots.
Sorry, Schönheitskönigin, wie man´s auch fotografiert und betrachtet - für uns bleibt die Nordflanke des Rakaposhi (Karakorum, Pakistan) unser bisher eindrücklichster Berganblick!