Montag, 2. November 2015

Potosi – Silberstadt und Staatsbankrott


Grauslich, einfach grauslich. Die Fahrt auf über 4000m erfolgte - wie beschrieben - im strömenden Regen. Hier, zwischen den steilen Hügeln der Stadt sind die Straßen zu Flüssen mutiert. In der Dunkelheit arbeiten wir uns durch die Altstadt von Potosi – um zu erfahren, dass es in unserem ausgewählten Hostal keinen Platz mehr gibt. Nach einer Stunde Altstadtgassenlabyrinth finden wir ein mäßiges Quartier mit einem großen Vorteil: Unser Auto findet im Hof einen Platz!

Gaby geht es in dieser Höhe gar nicht gut und auch mir bleibt immer wieder die Luft weg. Wenigstens ist das kleine Zimmer geheizt. Da ist das Nicht-Schlafen nicht so schlimm. Draußen hat es leichte Minusgrade.

Gaby liegt im Bett, ich hole in der nasskalten Nacht Cocatee im Plastiksackerl für uns beide - bolivianisches take away...

An nächsten Morgen liegt der „Reiche Berg“ unter einer Schneehaube. Dieser „Cerro Rico“ ist an allem schuld: Daran, dass Potosi im 17. Jh. eine der größten Städte der Welt war (über 150.000 E, mehr als Paris oder Madrid damals!) . Daran, dass Spanien dreimal in den Staatsbankrott schlitterte. Daran, dass rund 8 Millionen Menschen hier am Berg den Tod fanden.

Der Cerro Rico ist ein Silberberg. Nur dieser hier hat die Silberadern, keiner der umliegenden Gipfel kann damit aufwarten. Seltsame Natur...
Bis zum heutigen Tag wird der Berg weiter durchwühlt. Es soll über 500 Stollen geben, genaue Pläne gibt es definitiv nicht. Das Gestein liefert immer weniger Silber, dafür werden andere Bodenschätze wie Zinn abgebaut.


Die spanischen Eroberer setzten gnadenlos indianische Sklaven ein – aus Afrika importierte Sklaven waren in dieser Höhenlage nicht zu gebrauchen – um immer mehr Silber nach Europa und die ganze Welt zu bringen. Dies ließ den Geldwert (Silbermünzen!) weltweit sinken, die hohe Inflation führte Spanien in den Staatsbankrott.

Bei der Minentour konnte ich dem Leben unter Tage ein wenig ins Auge blicken. Mit einer Stange Dynamit in der Fototasche (ja, das gibt es hier frei zu kaufen!) war ich mit einer einheimischen Führerin für über 2 Stunde in einigen Stollen unterwegs. In den besseren, größeren, sichereren.



Gearbeitet wurde an diesem Samstag kaum: draußen fand bei kalten Regenwetter ein Fußballturnier der Mineros statt – außerdem ist der Silberkurs derzeit so schlecht, dass sich der Abbau kaum lohnt.

Wir trafen trotzdem eine Handvoll Bergleute tief unten in einem Schacht. Die Stirnlampen erleuchten einen „Stollenknotenpunkt“. Sie sitzen im Kreis, kauen Coca-Blätter und ein gestreckter, hochprozentiger medizinischer Alkohol ist im Umlauf. Ich überreiche die Stange Dynamit mit Zünder und weiterem Sprengstoff . Mit einem kleinen Becher vom Spiritus bin ich in der Runde aufgenommen.

 Meine Führerin übersetzt ein wenig, es geht um den schlechten Silberkurs und die miesen, gefährlichen Arbeitsbedingungen. Kinder folgen mit 14 Jahren ihren Vätern in die Stollen - wo sie den Rest des lebens zubringen. Eine tolle Dokumetation darüber ist "The Divil´s Miners". 
Den Trailer dazu gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=uqk-Scp6Lw8


Ich bin wahrlich froh, als ich wieder draußen bin. Noch viel mehr bin ich dankbar, dass ich nicht hier arbeiten muss und – zum Unterschied der meisten Menschen hier – über meinen Beruf und Lebensweg selbst entscheiden kann.

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