Natürlich wäre es reizvoll, eine
Straße bis an ihr Ende zu fahren. Weniger erbaulich ist aber der
Gedanke, die gleiche Strecke zurückzufahren. Villa O´Higgins heißt
der Zielpunkt der Carretera Austral – aber leider ist der geplante
Grenzübergang beim Paso Rio Mayer wegen einer fehlenden Brücke noch
nicht eröffnet. (Fußgänger und Biker können aber per Boot nach
Argentinien – und gelangen so direkt nach El Chalten am Fuße des
Fitz Roy Massivs!)
Wir verkneifen uns also diese holprigen
500km schweren Herzens – mit folgender Überlegung: zu Weihnachten
startet der Ferienrummel in Patagonien und die Nationalparks sind
dann völlig überlastet. Es erscheint uns klüger, recht rasch unser
Wetterglück an den berühmten Bergen dort zu versuchen.
Also geht es ein paar Kilometer die
Carretera zurück, dann ein unspektakulärer Seitenweg – der durch
ein spektakuläres Tal ostwärts führt, uns über den Paso Roballos nach Argentinien bringt. Eine
Guanaco-Familie mit besonders neugierigen Jungen beäugt uns interessiert. Der saftige, feuchte Talboden wird von steilen Felswänden
mit schneebedeckten Gipfeln begrenzt. Langsam steigt die gute Piste
höher, das Wetter wird dafür schlechter. Wind, Nebel, dann Regen.
Das schmälert nicht den landschaftlichen Reiz – es kommen ein paar
Überraschungsmomente dazu, wenn plötzlich ein zackiger Gipfel
zwischen den Wolken hervorbricht.
Zum chilenischen Grenzposten kommen wir
unvorbereitet. Nämlich in kurzen Hosen. Schneeregen setzt ein. Die
freundlichen Beamten machen kurzen Prozess, stempeln unsere Pässe,
wünschen gute Fahrt, das war´s.
Im Niemandsland. Feuchter Schneefall,
starker Wind. Neben der Piste ein Campingbus. Wir trauen unseren
Augen nicht: Ein CS „Independent“ - der Mercedes Sprinter Allrad
mit gediegenem, stabilen Innenausbau ist genau unser Traumfahrzeug.
Zur Realität fehlen läppische 100.000 Euro. Ein kurzer Plausch mit
den Schweizer Besitzern zeigt – ihre Wahl war richtig, von Halifax
über Alaska bis Patagonien sind sie fast problemlos unterwegs...
(von gebrochener Blattfeder und verendeter Einspritzdüse mal
abgesehen...)
Zwischen den Schneeflocken behauptet
sich ein Berggipfel – der aussieht wie eine Kathedrale, Kirchturm
inklusive. Ein paar Kilometer näher hin noch – dann sind wir am
argentinischen Grenzposten. Die nicht minder freundlichen Grenzer
bestätigen, dass mit den Pferden hier die Grenze überwacht wird.
Angesichts der tollen Landschaft und der schönen Tiere möchte Gaby
gleich morgen hier zu arbeiten beginnen...
Zahllose Wasservögel tummeln sich im
Sumpfgebiet des Hochtals. Wir suchen einen windgeschützten
Nächtigungsplatz. Rechts Felswand, links Wasser – keine idealen
Voraussetzungen. So fahren wir weiter – und sind plötzlich mitten
in Wildwest. Rote Canyonwände lassen uns nach Indianern Ausschau
halten.
Schließlich finden wir hinter ein paar
Büschen im wilden Südwesten Argentiniens ein brauchbares Plätzchen,
der Eintopf ist rasch erwärmt und langsam verschwindet das
Tageslicht. Es ist fast halb elf und beinahe schon der längste Tag
des Jahres hier in Patagonien.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen