Sonntag, 26. Juni 2016

Gletscher Pastoruri – hoch hinaus und schnell hinab...

Eigentlich ging es luft- und konditionsmäßig uns beiden ganz gut beim Aufstieg vom Parkplatz auf 4900m zum See in 5200m Höhe. Es war saukalt, die Sonne verabschiedete sich hinter dichten Wolken, aber die Lagune mit den Eisbergen des Gletschers Pastoruri, der an der Südostflanke des gleichnamigen Gipfels herunterkriecht bot einen eindrucksvollen Anblick. Die Wetterstimmung fügte einen dramatischen Einschlag dazu.
Es ist Gaby Vorschlag, dann am Parkplatz zu übernachten, es scheint ja alles bestens, wir sind perfekt akklimatisiert. Bei Graupelschauern zaubert sie ein Linseneintopfmenu unter dem Regenschirm hervor, dann kriechen wir bei leichten Minusgraden in die Schlafsäcke. Da spielt der e-Reader seine Stärken aus...
Etwa um zwei Uhr morgens können wir beide nicht mehr schlafen. Beklemmende Enge in der Brust, Gaby hat Kopfweh und uns beiden ist nicht ganz wohl im Magen. An der Innenseite des Schlafwagens haben sich Eisblumen an den Scheiben gebildet.
Wir beschließen, sofort einen Abstieg einzuleiten. Also anziehen und raus in die Kälte! Langsam fahre ich über endlose Schotterserpentinen rund 700 Höhenmeter tiefer. Hier am Parklatz eines Puya Raimonsi-Hains (schöne Bromelienart, die in ihrem bis zu hundertjährigen Leben nur einmal blüht...) finden wir zurück zu angenehmer Nachtruhe.
Der Ort ist uns nicht unbekannt: Tags zuvor habe wir hier zwei nette deutsche Radfahrer getroffen und lange geplaudert, dann kamen noch zwei Schweizer dazu, deren roten Land Rover wir schon in Guayaquil im Livingston-Hotel abgestellt gesehen hatten. Die Folge war eine ziemlich lange Mittagspause mit netten Traveller-Gesprächen. Während die Biker die hinter ihnene liegende Strecke nach Huanuco "eh nicht so schlecht" fanden, war es für die Autofahrer "die schlechteste Straße Perus"! Wir können gespannt sein...
  
Am nächsten Morgen geht es nochmals hinauf zum Gletscher, im Sonnenschein ergibt sich gleich eine ganz andere Wirkung... Ein weiterer Höhepunkt in der Cordillera Blanca!

Dienstag, 14. Juni 2016

„El Presidente Gringo“

Peru hat also einen neuen Präsidenten...
Das Ergebnis war noch ein wenig enger als wir es in Österreich hatten: 50,12 : 49,88 Prozent. Bei knapp 20 Millionen Wahlberechtigten sind dies gerade mal 40.000 Stimmen Vorsprung!
Gewonnen hat einer, der die Stimmen all derjenigen erhalten hat, die den anderen Kandidaten verhindern wollten. Auch da gibt es Parallelen zwischen Anden- und Alpenrepublik.
Und noch eine Ähnlichkeit: der neue österreichische Präsident ist Wirtschaftsprofessor – und der frisch gekürte peruanische Amtskollege ebenfalls. Statt an der Wiener Wirtschaftsuni arbeitete er aber bei Weltbank und Währungsfonds.
Und da werden Unterschiede deutlich: der neue peruanische Präsident Pedro Pablo Kuczynski gilt als überzeugter Wirtschaftsliberaler – das kann man Österreichs „Erstem Mann“ als bekennenden Grünen eher nicht vorwerfen...
Doch noch eine Ähnlichkeit: Auch wenn der Name etwas täuscht, der Peruaner hat deutsche Eltern – und eine peruanisch-amerikanische Doppelbürgerschaft. Das US-Dokument hat er zurückgelegt, um nicht als „Ausländer“ abgestempelt zu werden (wobei die knapp unterlegene Gegenkandidatin Fujimori deutliche japanische Wurzeln hat... ). Van der Bellen andererseits war ja Este, der in den 1950-er Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt.
Somit haben die Staatsoberhäupter einiges gemeinsam und die beiden Länder ebenfalls: einen Gringo als neuen Präsidenten!

Adoptiert in den Bergen – Laguna Llanganuco

Ein wohl exzentrischer Engländer hat auf einem Hochplateau wenig außerhalb des Huascaran-Nationalparks eine sündteure Lodge in die Einschicht gebaut. Nicht nur für Sterngucker und Stille-Fetischisten ein Paradies, denn zum Greifen nah erheben sich der vierzackige, knapp 6400m hohe Huandoy sowie die Krone der Cordillera Blanca, der 6768m hohe Huascaran. Da wollen wir hin – wir dürfen mit unserem Schlafwagen etwas abseits, unsichtbar für die japanische Kleingruppe, campieren. Und weil dem britisch-südafrikanischen Betreiberpaar abends eher fad wird, dürfen wir ab 20 Uhr in die wohlig warm geheizte Stube kommen und werden mit heißem Coca-Tee versorgt. 
Die beiden sind eigentlich auch Traveller, die den Besitzer, der gerade in London weilt, seit Monaten zur Seite stehen und ihn derzeit vertreten. Solcherart möchten sie langsam das Geld für die Reisefortsetzung nach Mittel- und Nordamerika zusammenkratzen...
In der Früh bringt Gaby brühheißen Kaffee von der Lodge herauf, wir genießen die tolle Aussicht und wir fühlen uns bestens aufgehoben hier...
   
Chris gibt uns eine Menge Tipps, was wir hier abseits der beiden Haupttouristen-Trekkings unternehmen können. Und so wagen wir am den Anstieg zur Basis der Gletscher des Huandoy-Westgipfels. Vor uns schon sind zwei andere Wanderer losgezogen, mehr Leute gibt es hier nicht...
Oder doch? Ganz unvermittelt, an einem lieblichen Bergbach, der durch das Trogtal rauscht, stehen wir vor einer Hütte. Dahinter ein Zaun – und ein versperrtes Tor. Eingang in den Nationalpark – gut, aber wir haben vergessen, Geld mitzunehmen, 10 Soles p.P., rund 3 Euro.
Gaby beschließt aus Höhengründen hier auf rund 4300m umzukehren, ich überzeuge den Parkwächter, bei meiner Rückkehr mit mir zum Auto mitzukommen – ist eh nur 1 Stunde Gehzeit, pro Richtung. Er willigt ein, 5 Soles Trinkgeld sollen dafür herausschauen.
Nach einer weiteren Stunde Trekking begegnen mir die beiden anderen Wanderer. Meine Bitte, mir 10 Soles zu borgen, sie bekommen sie von Gaby beim Auto zurück, lehnen die beiden Amis ab. Haben wohl schon schlechte Erfahrungen gemacht... 
Jetzt wird es steiler, der Bach springt in Kaskaden talwärts und ich merke schon die Höhe. Als es flach wird, stehe ich beim ersten Schnee, wohl in viereinhalbtausend Metern Höhe. Mein Ziel liegt aber deutlich höher, ich möchte gerne bis zum Gletscher, das sind vielleicht noch 300 Höhenmeter, ziemlich steil und praktisch ohne Weg durchs Gestrüpp. Irgendwie wird das mit dem Gehen immer mühsamer, die Pausen werden länger. Als ich es fast geschafft habe, vielleicht noch 100m rauf, geht mir der Saft etwas aus und die Uhrzeit beginnt, gegen mich zu sprechen. Schweren Herzens drehe ich um, ohne über die Kante gesehen zu haben, ohne den Gletscher erreicht zu haben.
   
Am Weg runter spüre ich wieder mal meine Knie, aber es geht schneller als befürchtet, die letzte Stunde in Begleitung des Parkwächters und zwei seiner kleinen Kinder, die wieselflink zwischen den Felsen herumspringen.
Also, ich bin nach der Sechsstundentour ziemlich geschafft, erfreulicherweise gibt es abends wieder eine Einladung in die Lodge. Die beiden Amis, die da gerade ihr Drei-Gänge-Menu genießen, wollen mir einfach nicht in die Augen schauen...
Chris hat einen weiteren Tipp: Abfahrt um vier Uhr morgens auf den rund 4800m hohen Portachuelo-Pass und den Sonnenaufgang direkt vor den mächtigen, schneebedeckten Gipfeln genießen!
   
Die nächtliche Auffahrt auf serpentinenreicher, einspuriger Piste ist abenteuerlich, dafür ist es oben umso kälter. Aber schon vor dem Sonnenaufgang ist das vergessen – die Morgenröte bringt herrliche Pastellfarben. Als sich die Sonne über den Horizont schiebt, wechseln die schneebedeckten Gipfel in grelle Orangetöne, bis dann das tagesübliche Schneeweiß unter strahlend blauem Himmel gewinnt.
Ich unternehme eine kleine Wanderung auf einem alten Inkapfad, der über diesen Pass geführt hat, dann wagen wir uns die nicht ganz ungefährliche Straße wieder hinunter – um einige Zeit mit dem Frühstück an der wunderbaren Laguna Llanganuco zu verbringen. Frisch gestärkt und einen sonnigen Tag vor uns, beschließen wir, gleich der Cordillera Blanca entlang südwärts zu fahren und die gestrige Einladung unserer „Adoptivgastgeber“ zu einem heißen Morgenabschiedskaffee auszuschlagen...
   


Montag, 13. Juni 2016

Berg- und Talfahrt... über Trujillo in die Cordillera Blanca

Eigentlich gibt es ja Direktverbindungen in den Bergen, die direkt nach Süden in den höchsten Gebirgszug Amerikas führen. Das sagen die Landkarten. Polizei, Tourismusbehörde und unsere Schweizer Reisebegegnung von gestern sehen das anders: Da gibt’s kein leichtes Durchkommen, wir müssen bis zur Küste runter – und dann wieder hinauf in die Anden.
Auch gut, so können wir gleich drei Dinge erledigen: im relaxten Surferort Huanchaco holen wir unser Brettspiel ab, das wir vor einigen Wochen hier vergessen haben. In Trujillo können wir bei Costa-Gas unsere Gasflasche in 10 Minuten um 9 Soles füllen lassen (die haben mehrere Filialen: https://www.costagas.com.pe/). Und bei der Stadtausfahrt besuchen wir noch die sehenswerte Huaca de la Luna („Mondpyramide“) mit tollen farbigen Reliefs und Wandmalereien, die in der Zeit zwischen 3. vorchristlichem und 8.Jh. entstanden sind.
Wir fahren entlang der Küstenwüste südwärts und sind überrascht, dass Zuckerrohr offenbar sogar im Sand gedeihen kann – wohl mit einer Prise Chemie animiert. Es herrscht gerade Erntezeit, die Straßen sind voll mit abenteuerlich beladenen LKWs, deren Ladung zum Teil dann den Weg auf die Straße findet...
Wir verlassen die Küste, folgen dem trägen Fluß Santa, der sein weites, fruchtbares Tal offenbar gut bewässern kann. Angeblich befinden wir uns hier in einer für Reisenden gefährlichen Gegend, man berichtet von bewaffneten Überfällen. Besonders gefährdet sind diejenigen, die sich für eine Nacht im Maisfeld (oder an anderem „wildem“ Ort) entscheiden. Wir wollen das nicht verifizieren und lassen die Ebene hinter uns, schließlich ist das Klima in 1500m Höhe auch viel angenehmer zum schlafen. Am schon ziemlich schnellen, recht tief eingegrabenen Mittellauf des Santa finden wir ein nettes Plätzchen für die Nacht. Einziger Feind sind die kleinen Stechmücken (Blackflies), die sich in der Dämmerung zur Gourmetrunde beim Schlafwagen aufmachen...
Ausgeschlafen geht’s einem Höhepunkt entgegen: Der Canyon del Pato wartet. Ein über tausend Meter tiefer Einschnitt, an dem die Felswände stellenweise kaum 20 Meter von einander entfernt sind. Die Gebirgsstöcke der Cordillera Negra und der höheren Cordillera Blanca im Osten haben hier ein Rendezvous.
   
Freilich wird der Name „Entenschlucht“ diesem Naturphänomen nicht gerecht. Und Enten haben wir im reißenden Oberlauf des Santa auch nicht gesehen. Also hat ein Fernsehsender für eine Doku es einfach in die „Schlucht der toten Nonne“ umbenannt. Ob das Filmteam in der Schlucht eine Begegnung gehabt hat...?
   
Es geht durch einige Tunnels und entlang steiler Abhänge (zusammen schon fast die Höchststrafe für Gaby...) durch den Canyon – und ganz schön steil aufwärts dabei! Einige gewagte Seilbahnkonstruktionen ermöglichen den Einheimischen, den Fluß zu überqueren. Unglaublich, auch hier an den Steilwänden wohnen Leute!
Schließlich öffnet sich die Enge und wir erreichen eine fruchtbare Hochebene mit einem strahlend weißen Hintergrund. Die Sechstausender der Cordillera Blanca haben höchstens kleine, weiße Wolkenmützen auf, kein Vergleich zu der wolkenverhangenen, düsteren Stimmung als wir vor 2 Monaten in der Regenzeit hier waren!