Ein wohl exzentrischer Engländer hat
auf einem Hochplateau wenig außerhalb des Huascaran-Nationalparks
eine sündteure Lodge in die Einschicht gebaut. Nicht nur für
Sterngucker und Stille-Fetischisten ein Paradies, denn zum Greifen
nah erheben sich der vierzackige, knapp 6400m hohe Huandoy sowie die
Krone der Cordillera Blanca, der 6768m hohe Huascaran. Da wollen wir
hin – wir dürfen mit unserem Schlafwagen etwas abseits, unsichtbar
für die japanische Kleingruppe, campieren. Und weil dem
britisch-südafrikanischen Betreiberpaar abends eher fad wird, dürfen
wir ab 20 Uhr in die wohlig warm geheizte Stube kommen und werden mit
heißem Coca-Tee versorgt.
Die beiden sind eigentlich auch Traveller,
die den Besitzer, der gerade in London weilt, seit Monaten zur Seite
stehen und ihn derzeit vertreten. Solcherart möchten sie langsam das
Geld für die Reisefortsetzung nach Mittel- und Nordamerika
zusammenkratzen...
In der Früh bringt Gaby brühheißen
Kaffee von der Lodge herauf, wir genießen die tolle Aussicht und wir fühlen uns bestens aufgehoben hier...
Chris gibt uns eine Menge Tipps, was
wir hier abseits der beiden Haupttouristen-Trekkings unternehmen
können. Und so wagen wir am den Anstieg zur Basis der Gletscher des
Huandoy-Westgipfels. Vor uns schon sind zwei andere Wanderer
losgezogen, mehr Leute gibt es hier nicht...
Oder doch? Ganz unvermittelt, an einem
lieblichen Bergbach, der durch das Trogtal rauscht, stehen wir vor
einer Hütte. Dahinter ein Zaun – und ein versperrtes Tor. Eingang
in den Nationalpark – gut, aber wir haben vergessen, Geld
mitzunehmen, 10 Soles p.P., rund 3 Euro.
Gaby beschließt aus Höhengründen
hier auf rund 4300m umzukehren, ich überzeuge den Parkwächter, bei
meiner Rückkehr mit mir zum Auto mitzukommen – ist eh nur 1 Stunde
Gehzeit, pro Richtung. Er willigt ein, 5 Soles Trinkgeld sollen dafür
herausschauen.
Nach einer weiteren Stunde Trekking
begegnen mir die beiden anderen Wanderer. Meine Bitte, mir 10 Soles
zu borgen, sie bekommen sie von Gaby beim Auto zurück, lehnen die
beiden Amis ab. Haben wohl schon schlechte Erfahrungen gemacht...
Jetzt wird es steiler, der Bach springt
in Kaskaden talwärts und ich merke schon die Höhe. Als es flach
wird, stehe ich beim ersten Schnee, wohl in viereinhalbtausend Metern
Höhe. Mein Ziel liegt aber deutlich höher, ich möchte gerne bis
zum Gletscher, das sind vielleicht noch 300 Höhenmeter, ziemlich
steil und praktisch ohne Weg durchs Gestrüpp. Irgendwie wird das mit
dem Gehen immer mühsamer, die Pausen werden länger. Als ich es fast
geschafft habe, vielleicht noch 100m rauf, geht mir der Saft etwas
aus und die Uhrzeit beginnt, gegen mich zu sprechen. Schweren Herzens
drehe ich um, ohne über die Kante gesehen zu haben, ohne den
Gletscher erreicht zu haben.
Am Weg runter spüre ich wieder mal
meine Knie, aber es geht schneller als befürchtet, die letzte Stunde
in Begleitung des Parkwächters und zwei seiner kleinen Kinder, die
wieselflink zwischen den Felsen herumspringen.
Also, ich bin nach der Sechsstundentour
ziemlich geschafft, erfreulicherweise gibt es abends wieder eine
Einladung in die Lodge. Die beiden Amis, die da gerade ihr
Drei-Gänge-Menu genießen, wollen mir einfach nicht in die Augen
schauen...
Chris hat einen weiteren Tipp: Abfahrt
um vier Uhr morgens auf den rund 4800m hohen Portachuelo-Pass und den
Sonnenaufgang direkt vor den mächtigen, schneebedeckten Gipfeln
genießen!
Die nächtliche Auffahrt auf
serpentinenreicher, einspuriger Piste ist abenteuerlich, dafür ist
es oben umso kälter. Aber schon vor dem Sonnenaufgang ist das
vergessen – die Morgenröte bringt herrliche Pastellfarben. Als
sich die Sonne über den Horizont schiebt, wechseln die
schneebedeckten Gipfel in grelle Orangetöne, bis dann das
tagesübliche Schneeweiß unter strahlend blauem Himmel gewinnt.
Ich unternehme eine kleine Wanderung
auf einem alten Inkapfad, der über diesen Pass geführt hat, dann
wagen wir uns die nicht ganz ungefährliche Straße wieder hinunter – um einige Zeit mit dem
Frühstück an der wunderbaren Laguna Llanganuco zu verbringen.
Frisch gestärkt und einen sonnigen Tag vor uns, beschließen wir,
gleich der Cordillera Blanca entlang südwärts zu fahren und die
gestrige Einladung unserer „Adoptivgastgeber“ zu einem heißen
Morgenabschiedskaffee auszuschlagen...
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