Nach über 12 Stunden Schlaf ist das Ende
der Biskaya schon fast erreicht, viele Schiffe tauchen aus der Mischung Nebel
und Regenwolken auf, an Kap Finisterre (dem altrömischen Ende der Welt) müssen
alle dicht vorbei.
Wir ändern den Kurs Richtung Süden und
schon wir der Seegang erträglich, auch der Wind hat merklich nachgelassen. Kühl
bleibt es trotzdem. Den ganzen Tag lang.
Einer der Offiziere meint, typisch Biskaya,
aber ab Herbst geht es richtig los hier.
Ein wenig lesen, ein bisschen im
Spanisch-Lehrbuch blättern, eine Stunde im Fitness-Raum, dösen, plaudern,
Gesellschaftsspiele und essen. Der Tag ist ausgefüllt, müde sind wir wohl eher
wegen der Seeluft als aufgrund der Anstrengungen.
Samstag, 15. August
Wir haben Gibraltar (den Heimathafen der
Grande Brasile) weit im Osten gelassen, wir sind mitten im Atlantik. Statt
nasskalt ist es nun angenehm warm. Hoffentlich wird der kleine Pool bald
eingelassen, sauber wäre das Wasser hier wohl. Und wahrscheinlich kalt...
Der Kapitän verkündet, dass es um 15.30
eine Rettungsübung gibt.
Lothar versetzt alle in Schrecken: Sein
Täschchen mit Pässen, Kreditkarten und dem Impfausweis ist unauffindbar. In
Antwerpen im Hafen gestohlen? Pragmatische erste Reaktion des Kapitäns: Setz
dich – und trink ein Glas Cognac!
Nach einer halben Stunde Entwarnung, der
Klassiker: In einer Außentasche gut versteckt...
Dicke Schläuche werden entrollt, zuerst
kommt eine Minute laut zischend Luft (zum Anfachen eines Feuers?), dann folgt
braune Brühe. Schließlich wir das Wasser in den blau gestrichenen Tank
befördert, das Becken füllt sich langsam.
Alarmsirene. Die Crew sitzt schon mit Helm
und Überlebenspackung an Deck, wir schlendern scherzend raus. Wird wohl
interessant, aber passieren wird während der Überfahrt eh nix …
Schwimmwesten anlegen, Pfeiferl
ausprobieren, der siebenjährige Kapitänssohn macht ausgiebig Gebrauch davon.
Dann werden wir tatsächlich in eines der
Rettungsboote gelotst, hat mich immer schon interessiert, wie es da drinnen
aussieht. Ziemlich eng, aber Sitzbänke zum anschnallen, Notfalllebensmittel,
Wasser. Allerdings: die ersten 24 Stunden gibt es nix – weil wegen der
Angstzustände käme eh alles gleich wieder raus. Von Seekrankheit gar nicht zu
reden...
Nach uns ist die Crew zum Training dran, alle
Pumpen und Schläuche werden ausprobiert, der Kapitän koordiniert, kontrolliert
und schreibt mit. Alle Mann an Deck. Ralph, unser Messman fehlt. Entweder hat
er wegen lauter Musik den Alarm verpasst oder er ist befreit, um sich ums
Dinner zu kümmern.
Jetzt folgt Freizeitstress pur.
Ich bin als erster im Wasser, es schwimmt zwar eine schaumige, braune Schicht an der Oberfläche, aber das wird sich schon noch vermischen. Das Wasser ist erstaunlich warm und der Seegang versetzt das Nass im rund 5 x 2 m großen Becken in interessante Bewegungen, sodass es wie eine Gegenstromanlage im Wellenbad wirkt.
Kaum getrocknet, ziehen dicke Rauchschwaden
über das Achterdeck. Riecht nicht schlecht. Das Barbacue ist angeworfen und bei
dröhnender Musikanlage versammeln sich Seeleute, Offiziere, Kapitän und
Passagiere an einem langen Tisch. Mit Wein und Bier reichlich versorgt braten
wir Rindfleisch und Hühnchen - bestens mariniert – auf 2 großen
Holzkohlengrills der Marke „maritime Selbstschweißerei“.
Neben Gaby und mir sitzen der Kapitän und
der polnische Erste Offizier Marek. Sie erzählen von ihrer Laufbahn und warum
es auf Tankschiffen ganz anders läuft, sie überraschen auch: Marek ist Seemann
und Nebenerwerbsbauer, der in Nordpolen die Ernte im Dezember einfährt – wenn der
Boden fest gefroren ist. Und der Kapitän berichtet, dass man in einem Gebiet
Lettlands sogar Wassermelonen anbaut...
Auch dieser Tag vergeht im Fluge, es ist
nicht zu glauben, dass wir schon über eine Woche an Bord der „Grande Brasile“
sind.
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