Mit dem Lift geht es auf Deck 3, ein
paar Eisenstiegen hinauf, schwere Türe entriegelt – und der Lärm
wird intensiv: Vor uns steht das Herz des Schiffes, die Ursache aller
Vibrationen und die Basis für unsere rund 7000 Meilen seit Hamburg:
Der Schiffsdiesel.
Der Chef-Ingeneur hat mich am
allerletzten Tag an Bord zu einer Spezialführung in die Tiefen des
Schiffes eingeladen. Da es jetzt wirklich ruhig ist am Schiff, wage ich mich in die technische Riesenwelt.
Der 7-Zylinder - von der Schweizer
Firma Sulzer konstruiert – bringt rund 15.000kw auf die
Schiffsschraube und hat schon über 94.000 Betriebsstunden auf dem
lindgrünen Buckel.
Im Kontrollraum staune ich über die
Fülle der Anzeigen und Messgeräte und kann mir gar nicht merken,
wieviele Aggregate hier gesteuert werden.
Der Motor läuft mit rund 110
Umdrehungen pro Minute, verbraucht 50 Tonnen Schweröl am Tag und
wird durch eine gewaltige Zweikreis-Kühlanlage bei rund 80 Grad
gehalten (die Auspuffgase haben aber 300 Grad). Der Durchmesser der
Zylinder beträgt 62 cm, die Höhe der Kolben? Übermannshoch...
Das Öl muss vorgeheizt werden, die
Viskosität muss „15“ betragen – und jedes mal, wenn das Schiff
Europa erreicht, wird alles anders: Um die Emissionen zu reduzieren,
ist in der EU seit Jahresbeginn das Öl verboten, es muss ein Diesel
verfeuert werden, der nur mehr 0,1% Schwefelanteil hat (anstatt 1% im
Öl). Dies bedeutet aber auch weniger Schmierfähigkeit, es müssen
Additive hinzugefügt werden, die sind wahrscheinlich auch nicht ganz
gesund für die Umwelt.
Apropos gesund: Ein Seemann bringt am
Boden des kathedralengroßen Motorraums eine neue Farbe auf,
Epoxybeschichtung konstatiert meine Nase, Riesenkrach melden die
Ohren, kein Tageslicht erreicht das Auge...
Wir begeben uns eine Etage tiefer,
riesige Pumpen und Rohre versorgen das Kühlsystem, zwei meterhohe
Kühlrippenblöcke sind für den Wärmetausch zuständig. Über uns
ein schneidender Blechkreischton: zwei gigantische Turbolader
ergänzen das Triebwerk...
Die Entdeckungstour führt an das Heck
des Schiffs: vorbei an vier 8-Zylinder-Diesel-Generatoren geht es zur
Antriebswelle. Mindestens 10 Meter Länge, Durchmesser über 60cm,
gefertigt aus besonders torsionsfähigem Spezialstahl. Hinter der
Stopfbuchse (etwa 5m lang, mit 1500 Liter Ölkapazität) gibt es eine
gewaltige, fünf-flügelige, nach Backbord drehende Schraube. Die
Steigung der Blätter kann elektrohydraulisch variiert werden –
solcherart wird die Schiffsgeschwindigkeit reguliert. Darüber liegt
ein Heckstrahlruder – der eiserne Mantel lässt die gewaltige
Dimension dieser elektrisch betriebenen „Querschraube“ erahnen
(Am Bug gibt es zu Manövrierzwecken natürlich ein gleichartiges
Bugstrahlruder...).
Vorbei an zwei weiteren Filipinos, die
mit der (permanenten) Instandhaltung beschäftigt sind, geht es
wieder 3 Etagen aufwärts, bis wir nach eineinhalb Stunden wieder im
Ingenieurskommandoraum eintreffen.
Der bulgarische Chefingenieur meint
“dies ist alles wie ein Organismus, ein Teil kann nicht ohne den
anderen leben – und für die 15 Jahre Alter funktioniert alles
problemlos – weil eben immer gut instand gehalten...“
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